> Cruiser Daily 890 RRL im Test

Mehr Sein als Schein

02.02.2016
Text: Mathias Piontek | Bild: Hardy Mutschler

Der neue Cruiser Daily 890 RRL ist ein Alkovenmobil. Das ist richtig, wird dem Concorde mit Nase allein aber nicht voll gerecht.

Alkovenmobile sind typische Vertreter der Einsteigerklasse und prädestiniert für Familien. Immer? Nicht immer. Bestes Beispiel ist der neue Cruiser Daily 890 RRL von Concorde. Mit 8,99 Meter Außenlänge ist er deutlich länger als das Gros aus dieser Gattung und mit einem Grundpreis ab 148.500 Euro auch deutlich teurer. Ist der Bolide sein Geld wert, ist dieser Preis für Familien überhaupt noch interessant und ist der Cruiser Daily 890 RRL überhaupt ein Familienfahrzeug? Diese Fragen klärt der Profitest.

Mit vier eingetragenen Sitzplätzen, zwei im Fahrerhaus und zwei mit Zweipunktgurten gegen die Fahrtrichtung an der zur Liegefläche wandelbaren Sitzgruppe im Heck, sowie zwei Betten im Alkoven ist das Mobil auf dem neuen Iveco Daily mit sechs, optional 7,49 Tonnen zulässiger Gesamtmasse grundsätzlich für vier Reisende geeignet. Doch das gesamte Konzept des Innenraums spricht eine andere Sprache. Um es mit den Worten des Innenausbau-Profis Alfred Kiess zu sagen: „Hier fühle ich mich wie zu Hause.“ Modern gestaltete Möbel und als ein Höhepunkt die riesige Wohnzimmer-Landschaft mit Heimkino im Heck. Die Küche mit großzügig geschnittener Arbeitsplatte, dazu ein luxuriöses Bad – das alles ist auf ein Paar mit gutem Geschmack zugeschnitten.

Karosserie

Für Dach und Wände und Unterboden verwendet Concorde 40 Millimeter starkes Alu-Sandwich mit geschlossen-zelligem RTM-Hartschaum als Isolierung und verklebt Wände, Dach und Boden kältebrückenfrei mit hochverdichteten PU-Massivprofilen. Die Heckwand entsteht als ein Teil aus Glasfaser-Verbundmaterial mit PU-Schaum-Kern. An der perfekt versiegelten und sauber verkabelten Unterseite des Fahrzeugs montiert der Hersteller am Ende der Rahmenverlängerung serienmäßig Schwerlastrollen, die Aufsetzer mit dem Heckteil verhindern. Der 42 Zentimeter hohe beheizte Doppelboden nimmt Teile der Bordtechnik auf, steht aber auch als Stauraum bereit. Der obere Boden ist zusätzlich mit 30 Millimeter RTM-Schaum isoliert, sodass der Boden insgesamt auf 70 Millimeter Isolierung kommt. Auch die Radkästen der Hinterräder sind vollisoliert. Die stabilen Seitenschürzen stellt Concorde aus stabilem GfK her. Sämtliche Verbindungen des Aufbaus sind akkurat mit Dichtmasse versiegelt und alle Stöße, etwa am Alkoven, passen genau zueinander. Der Klasse angemessen: die Fenster mit Aluminiumrahmen und die 189 mal 60 Zentimeter große Aufbautür von Rhein Composite. Letztere öffnet und verriegelt elektrisch per Funksender und gefällt mit stabilen Scharnieren, Mehrfachverriegelung und Echtglasfenster. Camper erreichen das Innere des Concorde über zwei elektrisch ausklappende und zwei integrierte Stufen.

Heck- und Seitenbegrenzungsleuchten arbeiten mit LEDs. Gut platziert: die hintersten der orangen Seitenleuchten. Unmittelbar vorm Heck zeigen sie das Ende des 8,99 Meter langen Gefährts an.

Eine Rückfahrkamera ist nicht montiert, zudem sollte das Rückfahrlicht stärker sein. Eine Leuchte ist hier zu wenig und ihr Schein vom Fahrerplatz aus kaum auszumachen. Concorde will den Einbau einer zweiten Leuchte prüfen.

Küche und Bad

Vor dem Blickfang Wohnzimmer hat Concorde den Blickfang Küche platziert. Die Arbeitsplatte aus Mineralwerkstoff kostet extra, doch serienmäßg erhält der Kunde die riesige Arbeitsfläche und den gekonnten Schwung des Möbels. Etwas verloren wirkt hier der dreiflammige Dometic-Herd; hier würde sich gut ein exklusiveres Modell machen. Serienmäßig fasst der Kühlschrank 160 Liter, im Testfahrzeug war das 190-Liter- Modell mit Gasbackofen darüber eingebaut. Sehr gut: Die Stauräume der Küche fassen viel und sind zudem sehr gut erreichbar, etwa der Apothekerauszug in der Oberschrankzeile. Fast schon besser als zu Hau- se: Die herausschwenkbaren Topfregale mit aufwendiger Schwenkkinematik.

Das Bad zwischen Fahrerhaus beziehungsweise Alkoven und Küche lässt sich vorne und hinten durch je eine leichtlaufende, gut schließende Schiebetür abtrennen. Als Toilette hat Concorde das pflegeleichte Keramikmodell von Thetford gewählt und auch die rund 72 mal 76 Zentimeter große Dusche mit Glaskabine erinnert an den Komfort im Haus. Den
akkurat abgedichteten Wasch- tisch stattet der Hersteller mit ausziehbarer Brause zum Haare- waschen aus. Der zweitürige, über Eck öffnende, beleuchtete Kleiderschrank bietet genügend Platz für die Abendgarderobe.

Innenraum

Innenausbau-Profi Alfred Kiess betritt den Concorde Cruiser Daily 890 RRL und stellt fest: „Hier hat sich ein guter Designer viele Gedanken gemacht.“ Das Dunkelbraun und das Beige der Möbel passen gut zusammen und harmonieren auch mit dem etwas helleren Fußboden in Yachtoptik.

Die großzügig bemessene Wohnlandschaft im Heck erinnert an ein Wohnzimmer. Auch die Details stimmen: Die elegant geschwungene Arbeitsplatte ist durchgehend abgedichtet. Zudem bremst eine Rille unmittelbar vor deren Vorderkante verschüttete Flüssigkeit auf ihrem Weg in die Unterschränke. Dass letztere alle per Softeinzug schließen, versteht sich da schon von selbst. Auch der Apothekerauszug in der Oberschrankzeile ist durchdacht: Dank ihm kommen auch kleiner gewachsene Camper an den Inhalt dieses Staufachs.

Alle Umleimer sind sorgfältig entgratet und verschliffen. Auch die leicht laufenden Schiebetüren gefallen dem Profi. Und bei der seitlich ausziehbaren zweistufigen Treppe zum Alkoven zeigt sich ebenfalls das Können der Concorde-Mitarbeiter. Sämtliche Beschläge der zahlreichen Schranktüren und Oberschrank-Klappen sind von der haltbaren Sorte.

Während der Fahrt ist das Geräuschniveau im Cruiser Daily 890 RRL angenehm niedrig. Einzige Ausnahme: Im Bereich der beiden Stufen vom Fahrerhaus zum Raumbad knatscht es bei Fahrbahnunebenheiten. Vermutlich sind die Kunststoffprofile der beiden Stufen zu stramm eingepasst – ein Mangel, der sich im Handumdrehen beseitigen lässt.

Sitzen und Schlafen

Mit einer Sitztiefe von rund 46 Zentimetern und einem Außenmaß von etwa 190 mal 195 Zentimetern lädt die Sitzgruppe zum gemütlichen Hinlümmeln ein, ohne dass der Sitzkomfort beim Essen darunter leidet. Mit der Option Tischabsenkung und Zusatzpolster ist das Glück komplett. Die dann entstehende Liegewiese ist dermaßen bequem zum Lesen oder Fernsehen, dass man Gefahr läuft, das Fahrzeug gar nicht verlassen zu wollen. Decken und Kuschelkissen passen gut in den Staukasten zwischen Rückenlehne und Heckwand. Fernseher und Radio sind an gute Boxen beiderseits des TV und an einen Subwoofer im vorderen Staukasten der Sitzgruppe angeschlossen. Der Blick schweift zur Vitrine mit schönen Spiegelau-Gläsern. Jetzt ein Glas Wein? Nein, weiter geht es mit dem Rundgang durchs Fahrzeug.

Die beiden Einzelbetten im Alkoven sind längs zur Fahrtrichtung angeordnet. Dank zwölf Zentimeter dicker Matratzen auf Holzlattenrosten ist der Schlafkomfort gut. Auch das Mittelposter für eine auf zwei Drittel der Länge zusammenhängende Liegefläche ruht auf einem Lattenrost. Mit 78 Zentimeter lichter Höhe bleibt genügend Kopffreiheit. Angenehm: Dank der Anordnung der Betten kommen beide Urlauber in den Genuss eines Fensters.

Elektrik, Gas und Wasser

Elektrikermeister Gerd Locher stellt dem Concorde hinsichtlich dessen Elektrik ein sehr gutes Zeugnis aus. Alle Kabel laufen in Kabelkanälen, teils zusätzlich in Kabelschutzrohren. Teile der Elektrik wie 300-Watt-Wechselrichter und die drei 170-Ah-Batterien in der Heckgarage schützt Concorde mit Lochblechen. Klar, dass die gesamte Innenbeleuchtung mit LED-Technik funktioniert. Über die Halogenlampen in der zweitürigen Heckgarage mit robustem Tränenblechboden schmunzelt der Profi. Die Birnchen lassen sich aber durch LED-Leuchtmittel ersetzen.

Alle Steckdosen sind sinnvoll platziert. So sitzen die beiden Anschlüsse unterhalb des Apothekerauszugs weit genug von Wasserhahn und Herd entfernt.

Auch Wasser- und Gas-Experte Heinz Dieter Ruthardt ist voll des Lobes für den Cruiser Daily 890 RRL – mit einer Ausnahme: Dass sich der Toilettenschacht gänzlich ungeschützt präsentiert, ist in dieser Fahrzeugklasse unverständlich. Alles andere ist sehr gut konzipiert und installiert.

Der Korpus des über eine Außentür zugänglichen Gasflaschenkastens ist aus einem Kunststoffteil gefertigt, alle Fugen zur Innenseite der Seitenwand sind versiegelt. Die niedrige Schwelle stört dank ausreichend breiter Öffnung beim Flaschenwechsel kaum. Der Gasregler Duo-Control erlaubt den Betrieb der Alde-Warmwasserheizung während der Fahrt. Deren Wärme verteilt sich binnen weniger Minuten gleichmäßig im Fahrzeug.

Sicherheit

Dekra-Sachverständiger René Arnold nimmt den Concorde genau unter die Lupe – und kann fast nichts Negatives finden. Alle sicherheitsrelevanten Vorgaben hat Concorde richtig umgesetzt. Die optionalen Zweipunkt-Sicherheitgurte auf dem vorderen Couchteil sind, weil die Fahrgäste hier entgegen der Fahrtrichtung sitzen, zulässig. Concorde hat aber auch signalisiert, auf Wunsch Dreipunktgurte zu installieren. Aufgrund der gesamten Konzeption des Fahrzeugs und der ermittelten mäßigen Komfortwerte auf diesen Zusatzsitzen während der Fahrt, stellt sich aber ohnehin die Frage, ob der Cruiser Daily 890 RRL nicht doch ein echtes Zwei-Personen-Fahrzeug ist.

Auch wenn sie nicht vorgeschrieben ist, wünscht sich auch René Arnold einen zweiten Rückfahrscheinwerfer, weil der Lichtkegel des einen auch im Dunkeln an der Wahrnehmungsgrenze liegt. Weiterer Kritikpunkt abseits der Vorschriften: Das Kunststoff-Formteil der eingelassenen Stufen der Aufbautür baut etwa vier Zentimeter hoch auf: Wer hier beim Verlassen des Fahrzeugs stolpert, könnte das Gleichgewicht verlieren und aus der Tür herausfallen, zumal der Haltegriff offensichtlich zum Einsteigen gedacht, zum Aussteigen aber zu niedrig platziert ist. Concorde will sich diesen Bereich nach Rückgabe des Fahrzeugs ansehen.

Fazit

Der Concorde Cruiser Daily 890 RRL ist nicht einfach ein Alkovenmobil, er ist ein Appartement auf Rädern. Hochwertiger Aufbau, Doppelboden, sehr ansprechender Möbelbau und dazu viele durch­ dachte Details machen den Concorde attraktiv. Der neue Iveco Daily passt gut dazu, insbesondere mit der perfekt schaltenden Automatik. Ein Highlight: die große, in ein Wohnzimmer integrierte Sitzgruppe, von der aus sich der übrige Innenraum betrachten lässt.

Infobox

Den vollständigen Profitest von Mathias Piontek inklusive aller technischen Daten, der Übersicht aktueller Konkurrenten sowie Ladetipps finden Sie in Reisemobil International, Ausgabe 2/2016 zum Download in unserem Shop.

Redaktion
Mathias Piontek
Mathias Piontek ist seit Juli 2006 im Team von Reisemobil International und für die Fahrzeugtests zuständig.
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