> Provins in Frankreich

Vor den Toren

17.02.2023
Bild & Text: Claus-Georg Petri

Wer Paris besuchen möchte, das Verkehrsgetümmel aber scheut, der ist in Provins genau richtig: Auf dem Stellplatz der mittelalterlichen Stadt geht es eher gemächlich zu.

Paris ist immer einen Abstecher wert. Doch vor dem Besuch von Eiffelturm und Champs-Élysées, Louvre und Triumphbogen steht der Straßenverkehr in der Hauptstadt Frankreichs als nicht zu unterschätzendes Hindernis. Auch der Camping de Paris am Ufer der Seine will erst einmal erreicht werden. Nicht jedermanns Sache. Wie wär’s also mit einem deutlich entspannteren Besuch der Stadt der Liebe?

Etwa im Zug bis zum Gare de l’Est und von dort zu Fuß oder mit der Metro weiter. Und abends trotzdem im eigenen Bett schlafen. Doch, das geht. Das Reisemobil bleibt dann einfach auf dem Stellplatz der Kleinstadt Provins stehen, 80 Kilometer südöstlich von Paris im Département Seine-et-Marne in der Île de France, wie diese Metropolregion heißt. Alle halbe Stunde fährt ein Zug in 90 Minuten vom Bahnhof in Provins ins Herz der Hauptstadt. In der Hauptsaison pendeln hier sogar Kleinbusse.

Sehenswert: Die Gassen in Provins verbinden Ober- und Unterstadt.

Am Rand und doch mitten drin: Trotz dieser guten Anbindung an Paris lohnt es sich, auch Provins zu besuchen. Die Festungsstadt mit ihren 12.400 Einwohnern gehört seit 2001 zum UNESCO-Welterbe der Menschheit. Im Mittelalter bildete sie das wirtschaftliche Zentrum der Grafen der Champagne: Provins war eine der bekanntesten Städte Frankreichs.

Wegen der Handelsstraßen, die sich hier kreuzten, fanden in Provins große Handelsmessen statt und brachten den Norden Europas mit den Gebieten rund um das Mittelmeer in Kontakt. Tipp: In der Zehntscheune Grange aux Dîmes, einer alten Markthalle, sind solche Szenen rekonstruiert, die sich hier während der Champagner-Messe abspielten. Die Geschichte hat ihre Spuren hinterlassen.

Vom Stellplatz nahe der Tourist-Info sind es nur wenige Schritte ins übersichtliche Geflecht mittelalterlicher Gassen, dazu geht es durch das Tor Saint-Jean der zwischen 1226 und 1314 erbauten mächtigen Stadtmauer der Oberstadt hindurch. Die ist 1.200 Meter lang und umfasst 22 Türme verschiedener geometrischer Formen. Zur Freude wissberieriger Gäste: Sie ist begehbar.

Das aktuelle Rathaus befindet sich in der Unterstadt. Sie ist vom historischen Stadtkern aus bequem zu Fuß zu erreichen und durchaus einen Besuch wert.

Tipp: Von dem kleinen Platz vor diesem Tor fahren Touristenzüge ab. Sie ermöglichen den Gästen einen Überblick über das Sehenswerte der Stadt. Und davon gibt es eine ganze Menge. Doch auch zu Fuß lässt sich Provins vom Stellplatz aus gut erobern. Der Weg führt vorbei an kleinen Handwerks- und Antiquitätengeschäften zum Place du Châtel. Diesen großen, rechteckigen Platz im Zentrum rahmen Fachwerkhäuser aus dem 13. und 15. Jahrhundert ein. In dem Châtel, dem eher kleinen Stadtschloss, finden heute Ausstellungen statt, und die Gemeinde nutzt die Säle für Veranstaltungen. Gleich nebenan serviert die Crêperie La Fleur de Sel leckere Pfannkuchen nach regionaler Rezeptur.

Turm Cäsar: Er überragt die Stadt deutlich sichtbar.

Überragend im wahrsten Sinn des Wortes ist der Cäsarturm: Dieser Tour César stammt aus dem 12. Jahrhundert, galt einst als Symbol der Macht der Grafen der Champagne und ist heute ein Wahrzeichen von Provins. Früher diente das trutzige Bauwerk mit seinen steilen steinernen Stiegen als Gefängnis, Glocken- und Wachturm. Kein Wunder, offenbart er Besuchern ein Panorama über Stadt und Land. Heutzutage erweckt den Cäsarturm eine audiovisuelle Führung zu neuem Leben.

Als Zeichen göttlicher Macht baut sich hinter dem Turm die Kirche Collégiale Saint Quiriace auf, erbaut im romanischen Stil auf Wunsch des Grafen Heinrich des Liberalen, ebenfalls im 12. Jahrhundert. Obwohl die innen eher schlichte Stiftskirche sehr beeindruckend aussieht, ist sie tatsächlich nie fertig geworden: Dem Königreich fehlte für den Plan, Portal und Schiff über den gesamten Platz auszuweiten, schlichtweg das Geld. Eine Tafel außen am Kirchenschiff erinnert an den 3. August 1492. An jenem denkwürdigen Mittwoch besuchte Jeanne d’Arc, die heilige Jungfrau von Orléans, sie war auf der Durchreise, zusammen mit König Charles VII im Collégiale Saint Quiriace eine Messe. Merveilleux.

Hinter der Kirche steht das Croix d’Or: Das von außen eher unscheinbare Patrizierhaus wird als älteste Hôstellerie Frankreichs gehandelt – aus dem Jahr 1270. Noch heute steht hier gute französische Küche auf der Speisekarte. Ein Besuch lohnt sich. Von hier aus geht’s bergab. Die Unterstadt bildet den moderneren Teil von Provins.

Die Hauptstraße engen Blumenkübel ein, damit Autos nur einspurig vorankommen, Fußgänger indes wieder an Bedeutung gewinnen. Umso fröhlicher ist das Treiben zwischen Blumenläden und Bistros, Geschäften für Gemüse, Fleisch und frischen Fisch. Interessant indes sind die Souterrains. Dieses unterirdische, zehn Kilometer lange Netz an Galerien und 150 niedrigen Räumen stammt aus römischer und gotischer Zeit. Historische Wandmalereien erzählen von der Geschichte dieses unge- wöhnlichen Ortes. Fremdenführer leiten durch das Labyrinth.

Die Kirche birgt schöne Fenster und Figuren.

Darüber befindet sich das Hôtel-Dieu. Einst fungierte es als Palast der Gräfinnen, ab dem 12. Jahrhundert war es ein Empfangszentrum und diente später als Hospital für Arme und Bettler. Mittlerweile finden darin Ausstellungen und Konzerte statt. Tipp: Wer noch immer nicht genug hat von Kultur, der besucht das Museum von Provins und Umgebung. Auf drei Stock- werken findet sich hier womöglich alles, was in der Stadt und ihrem Umland von Bedeutung war oder ist. Allerdings finden sich sämtliche Erklärungen nur in französischer Sprache.

In den Straßen finden sich viele kleine Geschäfte und Boutiquen zum gemütlichen Stadtbummel.

Wem auf dem Weg zurück zum Mobil der Blütenduft in die Nase steigt, der befindet sich an der Roseraie. In diesem Botanischen Garten steht die Rose aus Provins, der Hauptstadt der Rosenverarbeitung, im Mittelpunkt. Tipp: Sie blüht im Juni, und mehr als 300 alte und neue Rosenarten sind auf dem 3,5 Hektar großen Gelände thematisch angeordnet. Dazu gibt es einen Laden samt Tee-Salon: Hier dürfen Rosenspezialitäten gekostet werden. Es zeigt sich: Nicht nur für Reisemobilisten, die den Großstadtdschungel von Paris meiden wollen, gibt es gute Gründe, vor der Hauptstadt Frankreichs einen Stopp einzulegen. Voilà.

Beliebt: Den Stellplatz in Provins steuern Reisemo- bilisten gern an. Von dort ist es nicht weit zu den Sehenswürdigkeiten wie dem Turm Cäsar.

Infobox

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Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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