> Autark im Wohnmobil

Kontaktlos Reisen in Zeiten von Corona

19.06.2020
Bild & Text: Jutta Neumann

Was vor ein paar Monaten noch selbstverständlich schien, war Anfang Mai in Deutschland ein kleines Abenteuer – autark unterwegs im Wohnmobil. Ein Selbstversuch.

Der Plan: Ziel meiner insgesamt fünftägigen Tour entlang der Deutschen Alpenstraße war zu testen, wie lange und wie gut es geht, autark im Wohnmobil und damit so kontaktarm wie möglich zu reisen. Für die Zeit nach Corona wohlgemerkt. Denn das Virus wird uns vermutlich noch länger begleiten und auch das Reisen erschweren, selbst wenn es – wie jetzt, Stand 18. Mai – mit Auflagen wieder erlaubt ist. Und noch weiß keiner, ob wir das Schlimmste schon überstanden haben, oder ob und wann eine zweite oder vielleicht sogar dritte Infektionswelle auch in Deutschland erneut zu verschärften Kontakt-und Reisebeschränkungen führen wird. Es ist also ratsam, auch in Zukunft – bis es einen Impfstoff und Medikamente gibt – umsichtig zu sein und mögliche Infektionsquellen zu meiden. Zum eigenen Schutz, aber natürlich auch zum Schutz anderer Reisender.

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Wie kann ich Infektionsquellen meiden? Ganz einfach: Keinerlei Service nutzen, selbst wenn das auf geöffneten Stell- und Campingplätzen möglich ist. So wenig wie möglich anfassen. So viel Abstand wie nötig zu anderen Menschen halten. Das geht, bedarf einfach nur guter Vorbereitung: Also vor der Abfahrt zu Hause genug Wasser auffüllen – ich hatte außer dem 100-Liter-Tank noch zwei Zehn-Liter Kanister dabei.

Um unterwegs nicht unnötig Wasser zu verbrauchen, habe ich nicht nur vorher eingekauft, sondern Gemüse und Obst auch schon gewaschen. Kochen wollte ich One-Pot-Gerichte. Das ist einfach, und es gibt nur einen Topf zum Spülen. Das Bord-WC habe ich mit biologisch abbaubarem Toilettenzusatz befüllt, sodass ich auch dafür nirgends hin muss, sondern den Kassetteninhalt nach meiner Rückkehr einfach im heimischen Klo entleeren kann.

Fürs Duschen und Abwaschen habe ich selbst (von einem Freund) gemachte Olivenseife ohne Tenside dabei, sodass auch die Grauwasser-Entsorgung kein Problem sein sollte. Das Abwasser kann ich in einem Kanister auffangen und in der heimischen Toilette abführen. Meine größte Sorge: Mindestens vier Tage würde ich auf das Haarewaschen verzichten müssen – bei der Menge, die ich davon auf dem Kopf habe, ist an Wasser sparen nicht zu denken.

Und da ich keinen Landstrom nutzen wollte, würde ich auch nicht föhnen können – bei Regen und acht Grad ist es aber auch keine Alternative, die Haare an der Luft trocknen zu lassen. Also Verzicht an dieser Stelle. Soweit also die Theorie, jetzt wollte ich es wissen, ob dieser kontaktarme autarke Selbstversuch womöglich sogar Spaß macht – denn darum geht es ja schließlich beim Reisen im Camper.

Die Realität

Tag 1: Berchtesgaden „Können Sie nicht lesen? Hier ist gesperrt. Wegen Corona.“ So kontaktvoll hatte ich mir den Auftakt meines kontaktlosen Selbstversuchs nicht vorgestellt. Ich saß am Steuer eines zugegebenermaßen sehr auffälligen froschgrünen Forster-Mobils und wollte gerade wieder losfahren, nachdem ich meine Fotos gemacht hatte, als ein älterer Herr mir den Berg hoch entgegenstapfte. Er war sichtlich überhaupt nicht erfreut, hier jemanden anzutreffen. Und natürlich hatte er recht. Sämtliche Schilder mit dem Wohnmobil- Symbol, die einen noch vor wenigen Monaten bereitwillig hier hochgelotst haben auf diesen sehr schön gelegenen Stellplatz im Berchtesgadener Ortsteil Oberau, waren mit einem dicken und nicht zu übersehenden „geschlossen“ überklebt.

Es war das erste Mai-Wochenende und Reisen in Bayern zu diesem Zeitpunkt noch verboten – genauso wie das Campen. Dass ich es – für diese Reportage – doch gewagt habe, liegt einzig und allein daran, dass mir unser Chef vom Dienst überzeugend bescheinigt hat, dass ich – als Journalistin – zu den systemrelevanten Personen aufgestiegen sei. Das habe Angela Merkel gesagt – klare Sache. Das – und eine Bescheinigung der Chefredaktion, dass ich im Auftrag von Reisemobil International unterwegs bin und doch bitte bei meiner Recherche unterstützt werden möge, hat geholfen gegen das schlechte Gewissen und das mulmige Gefühl.

In der Realität habe ich dann schnell gemerkt: So wird das nichts. Der erste Eindruck in Berchtesgaden hat sich an verschiedenen Orten der Tour bestätigt – Anwohner und Betreiber sind sehr vorsichtig und aufmerksam – so soll es sein. Ich habe also gleich nach der ersten eindrücklichen Begegnung mein Adressbuch durchforstet nach Privatkontakten, die halbwegs auf meiner Strecke entlang der Deutschen Alpenstraße liegen und fortan nur noch auf dem Gelände von Freunden und Bekannten geparkt, um dort zu übernachten.

Tag 2: Chiemsee

Das Wetter war lausig: Kalt und verregnet, aber die Gegend ist einfach zu schön, um direkt weiterzufahren. Ich beschloss, ein mal rund um den See zu gondeln und zu gucken, wie sich die Ausgangsbeschränkungen hier zeigen. Als Ort für eine kurze Kaffeepause (meine „Bar“ hatte ich ja an Bord) hatte ich mir den Strand in Übersee auserkoren – wenn schon kalt, dann wenigstens mit Aussicht. Aber daraus wurde nichts. Sämtliche Parkmöglichkeiten waren mit rot-weißem Flatterband abgesperrt: Besucher und Spaziergänger eindeutig unerwünscht.

Also ging es gleich wieder weiter – gegen den Uhrzeigersinn und an den nördlichsten Seezipfel nach Seebruck. Es hatte ein bisschen aufgeklart, und ich wollte die Alpen mit dem See im Vordergrund fotografieren. Daraus wurde zwar nichts, aber der Abstecher hat sich trotzdem gelohnt. Der hübsche Ort mit dem Segelhafen liegt an der Mündung der Alz und war – wie fast alle Orte zu diesem Zeitpunkt Anfang Mai – fast menschenleer. Meinen Kaffee habe ich mir dann – mit Gottes Segen – am Kloster Seeon ein paar Kilometer weiter auf dem grünen Parkplatz gebraut und mich mangels Alternativen mit den Skulpturen dort angefreundet.

Tag 3: Tölzer Land

Mittlerweile hatte es sich so richtig schön eingeregnet, und es zog mich an meinen nächsten Schlafplatz im Tölzer Land. Auf dem Weg dorthin habe ich den sonst in dieser Zeit gut besuchten Stellplatz in Ostin am Tegernsee gecheckt. Es war wie zu erwarten kein Mensch da, allerdings auch kein Hinweis darauf, wann und ob hier wieder geöffnet wird. Nächster Zwischenstopp am Stellplatz in Bad Tölz an der Isar, wo ich – kaum angekommen – gleich von einer Anwohnerin erst argwöhnisch beäugt und dann auch befragt wurde, was ich hier denn treibe und wie es käme, dass ich mit Mainzer Kennzeichen quer durch die Republik fahren könne. Meinen Selbstversuch fand sie dann zwar zulässig, wies mich aber darauf hin, dass man hier sowieso nur 48 Stunden stehen dürfe – „bitte schreiben Sie das auch in Ihre Reportage“ (bitteschön, liebe Frau mit Hund, hier steht es jetzt).

Bei strömendem Regen ist selbst dem sonst wunderschönen Bad Tölz kein gutes Fotomotiv abzugewinnen – ich fuhr also direkt weiter nach Egling in der Nähe von Wolfratshausen zu meinem Freund Heinz, um dort auf dem Hof neben seinem Haus einzuchecken und auch dort brav im Wohnmobil zu nächtigen und zu duschen – alles andere wäre zu einfach und zu wenig kontaktarm gewesen. Als Gastgeschenk kredenzte ich – mit den 1,5 Metern Abstand, die im CamperWohnzimmer gerade so möglich waren – mein Lieblings-One-Pot-Gericht: Linguine alla Genovese. Das geht so: Zwiebeln und Knoblauch in Olivenöl anrösten, grüne Bohnen mit Kartoffeln dazu im Wasser vorkochen lassen, etwas später die Pasta. Warten, bis alles durchgegart ist, Wasser abgießen, ganz am Schluss Pesto alla Genovese aus dem Glas unterheben und mit gehobeltem Parmesan und ein paar Basilikumblättchen (ich nahm Bärlauch, der wuchs hier am Waldrand) bestreuen – köstlich.

Tag 4: Augsburg

Letzte Station dieser bis jetzt sehr unterhaltsamen und sorglosen Tour war Diedorf bei Augsburg. Hier wohnen gute Freunde von mir. Olli Marschall ist Künstler und stellt seine Skulpturen teilweise auf einer zusätzlich gepachteten Wiese neben seinem Haus aus. Ich durfte mein Froschmobil mitten zwischen die Kunst stellen und bekam auch gleich noch Besuch vom Hauskater – großartig. Ich kann es nicht leugnen – nach einigen mehr oder weniger vollständig kontaktlosen Tagen tat es gut, mit Freunden zu sein – auch wenn der Abstand, den wir ja immer noch alle einhalten müssen, manchmal schon fast wehtat. Aber wenigstens mit den Katzen durfte ich nach Herzenslust kuscheln.

Am Nachmittag wurde es auch erstmals in der ganzen Zeit richtig sonnig und deutlich wärmer. Ich nutzte die Gelegenheit für einen Spaziergang im Wald, in dem tatsächlich seit den Corona-Auflagen deutlich mehr los ist als sonst. Es treibt die Leute raus. Kein Wunder. Kurz vor meiner Heimreise nach Stuttgart stattete ich dem Stellplatz in Augsburg an der Wertach noch einen Besuch ab – und staunte nicht schlecht: So viele Reisemobile auf einem Haufen hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Es war der erste Tag, an dem Bayern die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben hatte – und prompt brummte es. Die Leute, mit denen ich sprach, waren sichtlich entspannt. Alle freuten sich, dass sie ihre Reisemobile wieder ausführen dürfen. Hoffen wir, dass das so bleibt. Und vor allem: Dass die Leute vernünftig bleiben und auch weiterhin unnötige Kontakte mit zu wenig Abstand vermeiden.

Fazit

Autark reisen im Wohnmobil hilft, Ressourcen zu sparen, ist weniger umständlich als gedacht, ermöglicht es, Infektionen zu vermeiden, und macht großen Spaß – zumindest, so lange man einen Platz findet, auf dem man eine Nacht regulär stehen darf. Da gibt es allerdings auch jetzt noch viele offene Fragen. Bitte informieren Sie sich vor Ihrer Reise direkt beim Betreiber. Bei geöffneten Campingplätzen ist es außerdem dringend ratsam zu reservieren, da diese ihr Platzangebot aufgrund der Hygienemaßnahmen wohl deutlich reduzieren müssen.

Redaktion
Jutta Neumann
Jutta Neumann nimmt seit Oktober 2017 als begeisterte Camperin reisemobilfreundliche Routen und Stellplätze unter die Lupe.
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