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Neuer Fiat E-Ducato im Test: Noch kein bisschen Müde

22.09.2024
Bild & Text: Randolf Unruh

Der durchtrainierte Senior will’s dem Basisfahrzeug-Nachwuchs zeigen. Ist der neue Fiat E-Ducato eine Alternative zum Verbrenner? Reisemobil International fühlt der Elektro-Variante des beliebten Wohnmobil-Basisfahrzeugs auf den Zahn.

Auf dem Buckel hat er inzwischen 18 Jahre, längst ist er Senior seiner Klasse. 2006 kam der Fiat Ducato auf die Welt. Nun reitet er allmählich dem Sonnenuntergang entgegen. Altersweise und gemächlich, mit sonnengegerbtem Gesicht traurig dem Ende entgegen? Von wegen: Als Fiat E-Ducato im gestreckten Galopp und voller Saft und Kraft sowie Lebenslust.

Der Fiat E-Ducato zeigt, was ein Elektroantrieb inzwischen zu leisten vermag. Hier setzt er sich aus einer dicken Batterie mit einer nominellen Kapazität von 110 kWh – nutzbar sind 98 kWh – und einem Motor mit einer höchst beachtlichen Leistung von 200 kW sowie einem Drehmoment von 410 Nm zusammen. Auswahl an Antriebsvarianten gibt es nicht, man muss den E-Ducato nehmen, wie er ist.

Als mittelgroßer Kastenwagen kostet der E-Ducato laut Liste 66.283 Euro. Das sind knapp 20.000 Euro mehr als ein vergleichbarer Verbrenner mit Automatik. Und man ahnt, was dies für einen ausgebauten Bus bedeutet. Teuer? Na klar. Zu teuer? Vielleicht. Aber angesichts der Tarife für Batteriespeicher einer heimischen Solaranlage sogar ein Sonderangebot.

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Viel Power und enorme Leistungsfähigkeit

Und dann wäre da die Leistungsfähigkeit des Fiat E-Ducato: Dieser Transporter beschleunigt nicht, er explodiert. Den Standardsprint von null auf 100 Sachen, nicht unbedingt eine Lieblingsdisziplin für kräftig gebaute 3,5-Tonner, der E-Ducato erledigt ihn mal eben in 9,6 Sekunden. Dank feinfühliger Regelung ganz ohne jugendlichen Krawall und peinliche schwarze Striche auf der Fahrbahn.

Die Zwischenbeschleunigung ähnelt gar einer Kernschmelze: Tempo 60 bis 100 mit Kickdown, typisch am Ende einer Autobahnbaustelle und für dicke Diesel mit langer Übersetzung eine Herausforderung – 5,6 Sekunden. Von 80 auf 120 km/h, auch eine anspruchsvolle Aufgabe – 7,8 Sekunden.

Da blickt so mancher Autofahrer verblüfft. Dem Ducato-Piloten zieht es aufgrund der faszinierenden Kraftentfaltung breit grinsend die Mundwinkel nach hinten bis zu den Ohren. Irgendwoher muss der Begriff des permanenterregten Synchronmotors für die E-Maschine schließlich kommen.

Digitale Instrumente, schön bunt, aber auch gut ablesbar und programmierbar.
Foto: R. Unruh

Drei Fahrstufen: Eco, Normal und Power

Bei gut 130 Sachen ist dann Schluss, zugunsten des Stromverbrauchs und der Reichweite. Und mal ehrlich: Muss das alles sein? Muss es nicht. Also die Taste für die Fahrdynamikregelung gedrückt und von „Power“ auf „Normal“ gestellt. Die verbleibenden 160 kW/380 Nm sind mehr als genug.

Und wenn’s gelassen zugehen soll, tut’s problemlos der Eco-Modus mit 120 kW/360 Nm. Dann ist das Maximaltempo auf 90 km/h begrenzt. Falls in dieser Stufe zwischendurch mehr Mumm und Tempo gefragt ist, einfach Fahrpedal voll durchtreten, schon geht’s wieder ab. Sinnvoll in der Praxis: Normalmodus verwenden und alles andere vergessen.

Schnellladen klappt nicht immer optimal

Das gilt ebenfalls für die Rekuperation, die E-Bremse mit Strom-Rückgewinnung, beinflussbar mit Schaltpaddeln hinter dem Lenkrad. Im Segelmodus rollt der Transporter leichtfüßig mit minimaler Verzögerung, also Obacht bei Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Ortseinfahrten. Stufe eins entspricht der Motorbremswirkung bei Gas weg im Verbrenner. Stufe zwei steigert die Bremswirkung abermals, Stufe drei bis zum Einpedalmodus. Dann aber geht’s ruppig zu, diese Variante verlangt einen sehr feinfühligen Fuß auf dem Fahrpedal.

Hohes Tempo sowie Beschleunigungsorgien verbieten sich indes aus Rücksicht auf den Verkehr drumherum sowie der Reichweite – sonst sind auch 98 kWh schnell verbraucht. Zumal der E-Ducato zwar nominell mit bis zu 150 kW recht flott lädt, diesen Wert jedoch im Testbetrieb trotz angenehmer Außentemperaturen nicht erreichte. Auf der Strecke der letzten 20 oder 25 Prozent Kapazität tröpfeln auch am Schnelllader nur noch mühsam um die 20 kW Strom in die Batterie.

Gut eine Stunde Zeit von 80 auf 100 Prozent sagt die perfekt ablesbare Anzeige beider Displays voraus. Also lieber gestartet und eine weitere Zwischenladung einkalkuliert. Stichwort Display: In Cockpitmitte lassen sich Ladezeiten programmieren, die Ladeleistung und andere Einstellungen vornehmen.

Foto: Stellantis

Als 3,5-Tonner zu wenig Zuladung

Als Alternative zum Wohnausbau packt der freundliche Baustoffhändler zum Test eine überschaubare Palette Schnellbeton ins Heck. Sie sieht im üppigen Laderaum des E-Ducato etwas mickrig aus. Doch komme nun keiner mit Senioren und Übergewicht, das Basismodell des Ducato ist vergleichsweise drahtig gebaut. Aber grob gerechnet halbiert der dicke Batteriebrocken im Untergrund die Ladekapazität. Ergebnis sind 2,84 Tonnen Leer- bei 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Einen Ausweg bietet der Griff zum 4,25-Tonner.

Unterwegs bewahrheitet sich wieder einmal: Der Verbrauch ist beim E-Antrieb ein genaues Spiegelbild der abgeforderten Leistung. Er lag beim voll ausgeladenen Testwagen zwischen 18,9 kWh/100 km auf der Kurzstrecke, 24,4 kWh/100 km auf der Landstraße und 40 kWh in vollem Galopp auf der Autobahn. Macht im Schnitt einschließlich weiterer Etappen 28,8 kWh. Damit lag der Hochleistungs-E-Transporter sogar knapp unterhalb des WLTP-Normwerts und passt sich gut in sein Wettbewerbsumfeld ein. Fährt je nach Einsatz ganz schön weit, doch zügige Reisen als Kilometerfresser schafft auch er nicht.

Ein Rechenexempel: Auf Langstrecken sind mit überschaubaren Ladepausen zwischen zehn und 80 Prozent der Batteriekapazität nutzbar, hier also 70 kWh. Daraus resultiert bei gelassener Fahrweise eine Reichweite von rund 250 Kilometern. Trotz serienmäßiger Unterstützung wie einer Wärmepumpe für die Klimatisierung. Oder der verbesserten Aerodynamik mit einer weitgehend eingeebneten Frontpartie, geriffelten Gehäusen der Außenspiegel sowie geglätteten Unterboden.

Steuermann oder Steuerfrau haben derweil alles unter Kontrolle. Die digitalen Rundinstrumente sind nicht nur recht bunt, sondern auch ordentlich ablesbar. Zusätzliche Detailanzeigen informieren über Batteriestand und Reichweite. Ein Tastendruck genügt, schon taucht der Durchschnittsverbrauch auf.

Einfache Bedienung im Fiat E-Ducato

Perfekt sitzt der Drehregler für Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt links in der Mittelkonsole, platzsparend und eingängig zugleich. Elektronischer Schlüssel, elektronische Handbremse, gut bedienbare automatische Klimatisierung, drei Steckdosenformate, griffige Lenkradtasten und die pfiffige Idee der Radiobedienung auf der Rückseite der Lenkradspeichen, auf Wunsch ein digitaler Innenspiegel – Alter schützt nicht vor Modernität und der Fiat E-Ducato dreht damit manch jüngerem Kollegen eine Nase.

Unverändert im langen Leben des Ducato ist die etwas eigenwillige froschige Position auf den recht angenehm gepolsterten Seriensitzen. Die Türen schließen scheppernd und die verwendeten Materialien sind schlicht, an den Türen schaut viel blankes Blech durch. Nein, ein Ducato wollte noch nie ein Edelmann sein.

Teil der sehr individuellen Optik des E-Ducato ist auch das hochstehende Heck ähnlich einem Entenbürzel über den Einblatt-Parabelfedern. Ursache ist die maximale Achslast von 2,4 Tonnen, für einen Fronttriebler recht üppig. Das gewichtige Batteriepaket nimmt dem Fahrwerk ein wenig der bisher bekannten Härte. Die elektrische Lenkung arbeitet wie gewohnt in Mittellage gelassen, beim Einschlag zielgenau und mit genau der richtigen, geschwindigkeitsabhängigen Unterstützung.

Viele Assistenzsysteme an Bord

In Sachen Assistenzsysteme ist der Senior voll auf der Höhe der Zeit. Unter anderem gefahren und getestet: Der Notbremsassistent macht bei Gefahr ordentlich Radau und bremst zur Vermeidung möglicher Auffahrunfälle, der Abstandsregler reagiert feinfühlig. Der Verkehrszeichenassistent bremst die Fuhre bei Tempobegrenzungen nicht rüde ein, sondern fragt bei Änderungen, ob er das neue Tempo übernehmen soll. Ein Beispiel für gute klassische Erziehung und ein Beweis, dass der E-Ducato nicht nur wegen seines überschäumenden Temperaments noch nicht zum alten Eisen zählt.

Der Ritt in den Sonnenuntergang, er darf weitergehen. Wenn auch als Fiat E-Ducato für feine Campingbusse eher im Trab als im gestreckten Galopp. Eine Alternative zum Verbrenner? Trotz der herausragenden Performance nur für Geduldige.

Infobox

Technische Daten Fiat E-Ducato

Leistung: 200 kW/270 PS
Batterie: 110 kWh
Reichweite: 430 km (WLTP)
Zul. Gesamtgewicht: 3.500/4.250 kg
Nutzlast Kastenwagen: 590 – 635/1.310 – 1.385 kg
Nutzlast Fahrgestell: 930 – 945/1.680 – 1.695 kg
Grundpreis Kastenwagen: 65.212 € (L3H2 als 3,5-Tonner)
Grundpreis Fahrgestell: 61.999 € (L3 als 3,5-Tonner)
www.fiatprofessional.com

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