> Weener in Ostfriesland

Kleine, große Stadt

22.12.2022
Text: Claus-Georg Petri | Bild: Heiner Duering

Etwas im Verborgenen am linken Ufer der Ems, die kurz darauf in den Dollart mündet, schimmert Weener in Ostfriesland: eine Perle, die es zu entdecken gilt.

Egal, wo Reisemobilisten in Weener anlanden, sie machen immer in der Nähe von Booten und Schiffen fest. Der staatlich anerkannte Erholungsort lockt mit gleich zwei Stellplätzen: Der am Alten Hafen bietet Platz für 50 Reisemobile und eröffnet den Blick auf historische Schiffe sowie den Jachthafen. Der ruhige Stellplatz am Sportboothafen fasst dagegen nur 24 Mobile.

Weener, Name und Bekanntheitsgrad lassen es vermuten, ist nicht sehr groß. Um die 7.000 Menschen leben in der Kernstadt, die 1973 durch Eingemeindung von 14 Teilorten auf knapp 16.000 Einwohner angewachsen ist. Die dazugekommenen Dörfer verteilen sich aufs platte Rheiderland. In diesem historischen Landstrich zwischen Ems und Dollart erhebt sich Weener als einzige Stadt, deren Rechte sie erst seit dem Jahr 1929 besitzt. Kurz: Es geht gemächlich zu in diesem Teil Ostfrieslands.

Lebendig: Am Alten Hafen in Weener in Ostfriesland schlägt das Herz der Stadt Weener. Hier landen Schiffe an, und Reisemobile machen hier auch fest. Eine sympathische Mischung traditioneller Boote und moderner Landjachten.

Das zeigt sich schon rund um den malerischen Alten Hafen, dessen Becken bereits um 1570 angelegt wurde. Beide Seiten umrahmen mittelständische Bürgerbauten, Kleine-Leute- Häuser und Speicher. Tatsächlich hat sich der Alte Hafen in der Moderne zum wichtikleinen Dorado für Traditionsschiffe entwickelt: Historische Binnen- oder See-, Segel- oder Motorschiffe legen hier an – und Reisemobile.

Tipp: In der Saison besuchen Weener Crews mit Traditionsschiffen aus anderen Häfen, sogar aus dem europäischen Ausland. Einige, die das Städtchen nur als kurzes Etappenziel eingeplant hatten, bleiben länger als geplant. Viele kommen wieder – manche bleiben. Das mag an der Rheiderländer Geselligkeit liegen.

Mondän: Auch am Sportboothafen finden Reisemobilisten einen Stellplatz. Wenn sie aus dem Fenster schauen, erblicken sie herrliche Segelboote und schicke Jachten. Diese Szenerie gefällt den meisten mobilen Gästen.

Mondäner, aber nicht minder gemütlich, geht es am 40.000 Quadratmeter großen Sportboothafen mit 274 Liegeplätzen zu. Die Hafenpromenade lädt auch Stellplatzgäste zum Flanieren ein. Von hier aus starten Boote auf die Binnengewässer Ostfrieslands und Hollands oder stechen sogar in See. Tipp: Wer mit will – einfach mal den Skipper fragen.

Ehrwürdig: Im Organeum, dem Museum für Tasteninstrumente, sind sehr viele Orgeln zu sehen und zu hören. Sie betonen ihre Wichtigkeit für Ostfriesland.

Von beiden Stellplätzen aus befindet sich eine Sehenswürdigkeit einen guten Kilometer zu Fuß oder mit dem Rad entfernt, für die Weener steht wie keine andere Stadt in Ostfriesland: das Organeum. Diese bedeutende Sammlung historischer Tasteninstrumente schlummert in einer prunkvollen Villa aus dem Jahr 1870. Drei Dutzend Hausorgeln und Orgelmodelle, Cembali und Clavichorde, Hammerklaviere und Harmonien repräsentieren das umfangreiche hiesige musikalische Spektrum von der Renaissance bis zur Spätromantik.

Diese Sammlung ist herausragend für Ostfriesland: In dieser weltweit wichtigen Orgellandschaft spiegeln 150 Instrumente aus sieben Jahrhunderten den Reichtum niederländischer, norddeutscher und westfälischer Orgelbautraditionen klar wider. Die italienische Orgel in Rhede, die französische Barockorgel in Stapelmoor und die englische Orgel in Jemgum bilden das Ensemble der Europäischen Orgelstraße an der Ems. Das Organeum verwandelt sich von April bis September wöchentlich in ein klingendes Museum, wenn mittwochs um 15 Uhr zur Führung eingeladen wird.

Die St.-Georgskirche stammt aus dem 13. Jahrhundert und stellt allein durch ihre Bauweise das Wort Gottes in den Mittelpunkt.

Eine Orgel spielt auch in der St.-Georgskirche eine Rolle: Das Gotteshaus aus dem frühen 13. Jahrhundert steht auf dem höchsten Punkt der schon im 10. Jahrhundert erwähnten Siedlung. Das angebaute Querschiff, der durch eine Wand abgetrennte Chorraum, der zentrale Platz der Kanzel mit Abendmahltisch und -bank aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Im Mittelpunkt des Gottesdienstes steht nicht die sakrale Handlung vor dem Altar, sondern das Wort Gottes, verkündigt von der Kanzel.

Vor der Ostwand erhebt sich eine prächtige Orgel. Sie entstand 1709/10 in der Werkstatt des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger aus Hamburg. Dieses Instrument von europäischem Rang wurde 1779 bis 1782 von Johann Friedrich Wenthin aus Emden mit den seitlichen Pedalgehäusen ergänzt und klingt seit 1982 nach gründlicher Restaurierung in ursprünglichem Klang. Tipp: Jeden ersten Sonntag im Monat um 17 Uhr spielen Künstler auf der Orgel.

Unvergessen: Noch im vergangenen Jahrhundert füllten Frauen, die Törfwieven, Torf in Körbe ab. Ein Denkmal am Hafen erinnert an diese schwere Arbeit.

Wer in Weener vom kirchlichen in den weltlichen Teil zurückgeht, durchschreitet die Kaake. Auf diesem ehemaligen Markt- und Gerichtsplatz am Verkehrsknotenpunkt Leer-Holland-Westfalen fanden einst Vieh- und Pferdemärkte statt. Tipp: Der Kaakebogen bei der Georgskirche ist Treff für öffentliche Stadtführungen. Und: Die Historie präsentiert das Heimatmuseum Rheiderland.

Eine friedlichere Vergangenheit zeigt sich im Törfwieven. Bei dieser harten Arbeit füllten meist zwei Frauen Torf in 100-Liter-Körbe. Die wurden zunächst halb anghäufelt, kräftig geschüttelt und erst dann bis zum Rand vollgemacht. Eine dritte Frau trug den schweren Korb auf die Hafenkaje, die vierte im Team packte ihn auf ein Pferdefuhrwerk. Karl-Ludwig Böke schuf nach Gesprächen mit einer Frau, die als 18-Jährige mit ihrer Mutter und Oma Anfang der 1950er-Jahre als Törfwiev tätig war, eine Figurengruppe – als Wahrzeichen. Nach dem Bummel durch die kleine, große Stadt geht es ab in den Hafen 55: Das Restaurant serviert Hausmannskost. Für Seemänner und Reisemobilisten, die in Weener festgemacht haben.

Angekommen: Reisemobile auf dem Stellplatz am Alten Hafen. Ein weiterer Stellplatz steht Reisemobilisten am Sportboothafen zur Verfügung.

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Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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