Der Platz auf dem Fahrersitz des Niesmann+Bischoff-Integrierten ist eingenommen, der Anschnallgurt sitzt, die Spiegel sind eingestellt. „Wenn Sie soweit sind, dann können wir starten und die Prüfung beginnt, ich wünsche Ihnen viel Glück“, schallt es vom Rücksitz von einem Mann im Dekra-Outfit. Regentropfen prasseln in Strömen auf die Windschutzscheibe und auch die sturmartigen Windböen wirken sich in dem Moment wenig beruhigend auf den Puls und die ohnehin vorhandene Anspannung aus.
Gibt es das viel zitierte „Fritz-Walter- Wetter“ auch auf der Straße – während der Führerscheinprüfung? Gefühlvoll am Lenkrad, wohldosiert in den Kurven und sicher wird das Flair-Modell anschließend über die Straßen von Gera gelenkt, die Abfahrtskontrolle ohne Fehler absolviert und auch die Grundfahraufgaben rückwärts an die Rampe und rückwärts rechts um die Ecke fahren mit einem Nicken des Prüfers abgesegnet.
Fahrlehrerin Miglena, die beide Redakteure die letzten Tage mit dem 8,40 Meter langen, 2,40 Meter breiten, 3,55 Meter hohen und 5,4 Tonnen schweren Flair-Modell durch enge Einbahnstraßen, den regen Stadtverkehr und über Landstraßen getrieben hat, sitzt ruhig daneben – und sieht es wohl schon kommen: Die Prüfung zum C1- Führerschein ist geschafft! Bereits am Vormittag wurde die Theorieprüfung jeweils mit null Fehlerpunkten abgehakt.
Also viel Lärm um nichts? Mitnichten. Ein Zuckerschlecken waren die kompakten sieben Tage plus Prüfungstag wahrlich nicht, obwohl beide Redakteure erfahrene Pkw- und Reisemobil-Lenker sind. Da war zum einen das ungewohnte Gefühl, wieder „Fahrschüler“ zu sein. Für den eigenen Fahrstil kritisiert zu werden, ist zunächst ungewohnt, auch wenn die Einwände berechtigt waren. Erstaunlich, wie viele „Eigenheiten“ sich bei geübten Fahrern über die Jahre eingeschlichen haben und Notwendiges eingerostet ist oder schlicht vergessen wurde.
Täglich warteten darüber hinaus drei Theoriestunden auf die Prüflinge. Hier ging es nicht nur zurück zu den Wurzeln und dem Einmaleins des Straßenverkehrs, sondern primär auch um Lkw-Theorie. Also der Aufbau eines Lkw-Motors, die Druckluft-Bremsanlage, Anhängerbetrieb und Ladungssicherung sowie die Lenk- und Ruhezeiten – vieles, das man als Wohnmobilist später nicht benötigt, aber vom Gesetzgeber eben vorgeschrieben ist.
Ein schneller Weg zum Wohnmobil-Führerschein: Die Fischer Academy
Dass es aber überhaupt diese Möglichkeit gibt, schnell und kompakt den Weg zur Fahrerlaubnis zu erhalten, ist dem Unternehmer Mike Fischer zu verdanken. Die 1990 gegründete und erfolgreiche Fischer Academy in Gera ist bundesweit die erste Fahrschule, die es Interessenten ermöglicht, den C1- Führerschein in einem Kompaktkurs zu absolvieren und dann auch noch in einem Flair-Reisemobil von Niesmann+Bischoff. Im Sommer 2015 hat Fischer auf dem Caravan Salon in Düsseldorf die Kooperation mit dem Luxus-Reisemobil-Hersteller begründet, seither haben weit mehr als 100 Fahrschüler den C1-Führerschein auf diese Weise gemacht. Heute leitet Nancy Bratke die Academy.
Das Besondere: Aus ganz Deutschland finden sich die Fahrschüler in dem Internat „Fischer Dorf“ ein, um sich gemeinsam in Theorie und Praxis dem Wohnmobil-Führerschein zu stellen. Dabei sind sie mit allem versorgt: Unterkunft, Essen, Theorie und Praxis, alles vor Ort im „Fischer Dorf“. Optimaler Service: Digitale Lernplattform, Fachbücher und eine Fahren-Lernen-App gehören dazu. Kompetente Fahrlehrer und ein freundliches Team runden das Angebot der Fischer Academy ab – ganz klar eine Empfehlung.
Genächtigt haben die beiden Fahrschüler übrigens nicht im Internat, sondern im Hymer-Integrierten BMC I 550. Am Rande des Academy-eigenen Verkehrsübungsplatzes fand sich ein lauschiges Plätzchen zwischen Asphalt und dem Fluss Weiße Elster.
Wie sich der rund sieben Meter lange Integrierte aus Bad Waldsee im Praxistest von Reisemobil International geschlagen hat, lesen Sie in unserer Bildergalerie zum Hymer B MC-I 550 WhiteLine.
Führerscheinproblematik
Doch warum haben sich die beiden jungen Redakteure Simon Ribnitzky und Philipp Pilson überhaupt nach Thüringen aufgemacht, um in Gera den C1-Führerschein zu absolvieren? Wer das Privileg hatte, seinen Führerschein vor 1999 absolvieren zu dürfen und im Besitz der Klasse 3 ist, der kann sich glücklich schätzen und sich auch künftig entspannt zurücklehnen. Alle andere werden sich beim Lesen an den Kopf fassen.
Rückblick: 1999 hat die EU beschlossen, dass Neuerwerber eines Pkw-Führerscheins nur noch Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen fahren dürfen. Für das Lenken schwererer Fahrzeuge – und seien es nur auf 3,8 Tonnen aufgelastete Reisemobile – ist seitdem ein Lkw-Führerschein (Klasse C) oder die Variante C1 für Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen notwendig. Auch aus Sicht der beiden Redakteure ist diese Praxis längst nicht mehr zeitgemäß und realitätsfremd.
Die jungen Interessenten von heute und Reisemobil-Kunden von morgen werden hier klar benachteiligt – und nicht nur finanziell, da der Erwerb der Fahrerlaubnis nicht nur mit Kosten, sondern auch mit Mühen, Nerven und viel Ausdauer (siehe Checkliste anbei) verbunden ist. Wie reibungslos oder eben nicht die Behördengänge ablaufen, unterscheidet sich zudem je nach Landkreis erheblich.
Klar ist, dass viele Reisemobile mittlerweile an der 3,5-Tonnen-Gewichtsgrenze kratzen und sie auch überschreiten, was auch an den immer zahlreicheren Sicherheitskomponenten (Assistenzsysteme), Abgasreinigungsanlagen, Elektronikkomponenten, aber auch steigenden Komfortausstattungen (Hubstützen, Zusatzbatterien etc.) liegt. Diese machen das Reisen in größeren Fahrzeugen immer Pkw-ähnlicher, komfortabler und sicherer, bringen aber zusätzliches Gewicht an Bord. Die EU-Führerscheinrichtlinie wird derzeit zwar überarbeitet, ob in der Folge die Gewichtsgrenze für den B-Führerschein heraufgesetzt wird, steht aber in den Sternen.
Ãœber Sinn und Unsinn
Auch wer nie einen Lkw, sondern nur schwerere Reisemobile (3,5 Tonnen bis 7,5 Tonnen) fahren möchte, kommt derzeit um den C1-Führerschein nicht herum – inklusive der ganzen Lkw-Theorie, Abfahrtskontrolle und Co. Weiterer Nachteil: Die Gültigkeitsdauer des Führerscheins ist auf fünf Jahre begrenzt, dann muss er verlängert werden und dabei erneut eine ärztliche und augenärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Vom organisatorischen und zeitlichen Aufwand für den eigentlichen Führerscheinkurs mal ganz abgesehen.
Aus diesem Grund ist eine Änderung des europäischen Führerscheinrechts mehr als geboten. Reine Praxisstunden zur Übung ja, ein eigener (Lkw-)Führerschein nur für die Nutzung eines Reisemobils nein. Die Redaktion unterstützt daher jegliche Forderung, die Ausweitung der Pkw-Führerscheine auf Reisemobile zumindest bis zu 4,25 oder gar 4,5 Tonnen zu realisieren und der Realität damit endlich entsprechend gerecht zu werden.
Infobox
Wie der C1-Führerscheinkurs bei der Fischer Academy im Detail abläuft, welche Vorbereitung nötig ist und welche Kosten auf Interessenten zukommen, lesen Sie in der Juli-Ausgabe 2021 von Reisemobil International – jetzt in unserem Shop bestellen oder PDF herunterladen.