> Mensch und Mobil: Alte Bekannte

Ex-Wise-Guys im Alkovenmobil auf Tour

11.05.2024
Bild & Text: Claus-Georg Petri

Einst hießen sie Wise Guys, nun tingeln sie als Alte Bekannte – mit einem Alkovenmobil von Dethleffs als Tourbus. Doch das Freizeitfahrzeug ist viel mehr als nur Vehikel von Bühne zu Bühne.

Wenn sie so zu fünft in ihrem Reisemobil sitzen, sehen die Alten Bekannten aus wie alte Camper. Dabei hatten die meisten der fünfköpfigen A-Capella-Band mit Camping eher wenig bis gar nichts am Hut. Umso überraschender sind die Erkenntnisse über die mobile Art des Reisens, welche die Musiker mittlerweile gewonnen haben.

„Erst durch meine Frau bin ich mit dieser Urlaubsform in Kontakt gekommen“, gesteht Clemens Schmuck. „Aber“, so räumt der Bariton und Aushilfsbass ein, „der Luxus in diesem Mobil macht unsere Tour deutlich schöner.“ Einhelliges Nicken rund um die Dinette. Fürs Schreiben und Proben ist der angenehme Innenraum des Mobils willkommen – und auch das Bett für ein Nickerchen zwischendurch.

„Wenngleich so ein modernes Wohnmobil wenig mit dem zu tun hat, was mein Eriba-Wohnwagen bietet“, räumt Daniel Dickopf ein. „Der steht irgendwo stationär und ist viel kleiner.“ Der Sänger, den sie alle nur „Dän“ nennen, hat 1990 das A-Capella-Formation Wise Guys gegründet. „Wir waren Kumpels“, erinnert sich der 53-Jährige, „damals waren wir 20 und die Zeit geprägt von Freiheit, Mauerfall und Aufbruch.“

Erfolg kam schnell dank witzigen Texten

Günstig, um als Schülerband den Schritt ins Musikgeschäft zu wagen. Dabei inspirierten die Lehrer die Gruppe zu ihrem Namen – sie hielten die Pennäler wohl für Besserwisser: „Wise Guys“ bedeutet auf Deutsch Schlaumeier. Nomen est omen: Tatsächlich kam mit ihrer selbst geschriebenen Musik, die wortwitzigen Sänger bezeichneten sie als Vokal-Pop, alsbald der Erfolg. Die lustigen, kritischen wie tiefsinnigen Texte begeisterten das Publikum, das heranwuchs zur Fangemeinde, die textsicher in vollen Hallen mitsang: „Sänk ju for trävelling wis Deutsche Bahn“ und andere Gassenhauer.

Die Wise Guys schafften es, mit dem Publikum ein Lebensgefühl zu entwickeln, geprägt von Zusammengehörigkeit. Ein begeisterter Konzertbesucher in Kleve habe einmal gesagt, die Band feiere eine Party, und die Fans seien dabei. „Das drückt die Stimmung wohl am besten aus“, strahlt Clemens Schmuck.

Trotz aller positiven Schwingungen kam mit dem Erfolg auch der Zank: Die Wise Guys entwickelten sich auseinander – und trennten sich 2017. Dennoch ließen die Musik und das Leben zwischen Band sowie eigenem Komponieren und Texten besonders den Kopf der Wise Guys nicht los: Noch im selben Jahr gründeten sich um Dän herum die Alten Bekannten. Dieser Name entstammte einem anderen Ursprung: Die fünf Sänger kannten sich schon länger, und sogar für das Publikum waren die neuen Schlaumeier eher alte Bekannte.

Für Dän eine Herausforderung: Die Wise Guys waren ehemalige Schüler, die Alten Bekannten indes sind allesamt gelernte und studierte Musiker. „Da muss ich mich manchmal ganz schön strecken.“ Auch über solche Themen sprechen die fünf, wenn sie in ihrem Alkovenmobil unterwegs sind: Reflektion zwischen zwei Auftritten gehört in der Runde dazu. Damit die Bühnenshow noch perfekter wird, feilen die Alten Bekannten im Womo an jedem einzelnen Punkt.

Live auf der Bühne: Die Alten Bekannten sind auf Tour.
Foto: Alte Bekannte

Dass die Band über das Alkovenmobil verfügt, geht auf ein Jubiläum des Händlers Engel Caravaning in Friedberg zurück. Der wollte gern das Lied „Engel“ der Wise Guys für sich nutzen, allerdings mit textlichen Änderungen. Da er aber den Sinn des Songs nicht entstellen wollte, komponierte Dän für den Händler kurzerhand einen neuen Titel: „Ganz egal, wohin die Reise geht.“

In dem Video, das die Alten Bekannten im Sommer 2023 dazu drehten, spielt der Dethleffs eine entscheidende Rolle – neben der mittlerweile 100-jährigen Liesel, der Oma von Ingo Wolfgarten. Der Text handelt von Freiheit und Sehnsucht, zu finden auch mit einem Reisemobil wie dem der Alten Bekannten. Den Dethleffs darf die Band nun ein Jahr lang nutzen – als Teil der Gage.

Das Erstaunliche: Die fünf Barden bringen zu einem Videodreh oder auf die Bühne keine Instrumente mit. Dennoch geben Bass und Schlagwerk deutlich den Rhythmus an. Dem staunenden Publikum versichert Dän im Konzert: „Wir sind eine A-Capella-Band. Alles, was nach Instrument klingt, erzeugen wir ausschließlich mit unseren Stimmen.“ Einziges Hilfsmittel ist das Mikrofon. Gekonnt eingesetzt, erzeugt es aus einem Lippenplatzer einen überdeutlichen Bass oder Trommelschlag.

Segen und Fluch für eine Gruppe, die einzig auf ihre fünf Stimmen setzt: Ist ein Sänger krank, fällt die ganze Show aus. „Eine Gitarre kannst Du durch eine Orgel ersetzen“, erklärt Bass Björn Sterzenbach, „fehlt aber eine von fünf Stimmen, hast Du ein Loch. Das kannst du nicht stopfen.“

So wie am 12. Dezember 2021. Damals ereilte Dän ein Schlaganfall. „Wir hatten Glück“, sagt er, „das letzte Konzert der Tour hatten wir gerade gespielt.“ Ohnehin sei wegen Corona damals sehr viel ausgefallen. So blieb Zeit für die Rekonvaleszenz. Obwohl die anderen Bandmitglieder ihn nicht dazu gedrängt haben, stand der Frontmann schon im Mai 2022 wieder auf der Bühne.

Jeder in der Band spielt seine Hauptrolle

„Zwischendurch haben wir mal ein Konzert ohne Dän gespielt“, erinnert sich Bariton Ingo Wolfgarten, „es war eine Katastrophe. Nie wieder.“ Es geht also nur gemeinsam. So wie der Zusammenhalt wieder zurückkehrt. Er entsteht auf der Bühne, aber auch bei Proben. Bei denen üben die Alten Bekannten ihre Musik, sie widmen sich ihren Bewegungen, sorgsam einstudierten Choreografien. „Das muss alles sitzen“, sagt Clemens Schmuck, der mit Björn Sterzenbach auch schon mal einen Salsa aufs Parkett legt.

Wenngleich nicht alle aus der Gruppe gleich gut tänzerisch veranlagt sind, bringen sie sämtlich ihre Stimmgewalt mit. Und sie entfalten ein breites Repertoire. Das reicht von lustigen Titeln wie „Sägewerk in Bad Segeberg“ über „Wenn das die Lösung ist (dann will ich mein Problem zurück)“ zum Klugscheißer-aufklärenden „Lehrerkind“ bis hin zu dem hoffnungsvollen „Bleib stabil“.

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Einen Höhepunkt im Konzert stellt ein Medley dar, zu dem Baritenor Friedemann Petter, jüngstes Mitglied der Band, die Idee hatte. Hintergrund: Die Musiker leben in Köln, Bonn und Göttingen – außer Ingo Wolfgarten, der in der Eifel wohnt. Über diese Region singen die Alten Bekannten Welthits. Gleich überraschend wie lustig. Die musikalische und textliche Bandbreite spiegelt sich in sozialem Engagement wider: Die Alten Bekannten setzen sich ein für Misereor. Von der Bühne runter bittet Dän für Spenden für das weltweit größte katholische Entwicklungshilfswerk, das vorrangig gegen Armut kämpft. Auch das gehört zu dem aktuellen Programm „Nix geht über Live“.

Zu den Auftritten touren die Alten Bekannten in ihrem Dethleffs, am Steuer Ingo Wolfgarten oder Clemens Schmuck. Beide dürfen und können den 7,5-Tonner auf Iveco fahren: „Wir haben uns daran gewöhnt“, sagen sie, „ist eben doch etwas anderes als ein Pkw.“

Dafür könnten die Alten Bekannten in einem Auto nicht so harmonisch um einen Tisch sitzen und miteinander reden – und dabei wirken wie alte Camper.

Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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