Eine reife Vorstellung: Der Knaus Van Ti auf VW Crafter gibt schon mit Serienfahrwerk eine erstaunlich souveräne Vorstellung im Fahrbetrieb. Die Vorderachse ist ausgesprochen feinfühlig, Spurstabilität und Fahrkomfort gehören sicherlich zum Besten, was Teilintegrierte in der 7-Meter-Klasse bisher abgeliefert haben. Dieses Bild verändert sich allerdings spürbar, wenn der 650 MEG mit langem Hecküberhang reisefertig beladen wird. Die Beladung im Heck drückt schwer auf die Hinterachse und entlastet parallel die Front. Im Kreisverkehr neigt sich der Crafter schon unangenehm zur Seite und die Spurstabilität leidet spürbar, wenn auch, das muss man fairerweise notieren, wir immer noch auf hohem Niveau klagen. Doch voraussehend betrachtet: Spätestens wenn die serienmäßig verbauten Stoßdämpfer nach 20.000 bis 30.000 Kilometern erste Ermüdungserscheinungen zeigen, verschärft sich die Problematik zusehends.
Die Crux dabei: Die permanent schleichende Verschlechterung wird von Reisemobilisten oft erst dann bemerkt, wenn ihr Fahrzeug in kritischen Situationen schwer beherrschbar wird. Man glaubt, ganz irrtümlich: Das war schon immer so und geht nicht viel besser. Weit gefehlt. Betrachten Sie die Fahreigenschaften Ihres Fahrzeugs immer wieder mit Argusaugen. Und leider, doch davon müssen wir ausgehen, sind Serienfahrwerke in Campern grundsätzlich überfordert, was bei hoher Beladung häufig zu kritischen Fahrsituationen führt. Eine Fahrwerksoptimierung tut häufig Not.
Betrachten wir unseren Dauertester: Wie schon erwähnt, er gehört im Serien-Setup schon zum Besten, was die Tester jemals fahren durften. Doch bei aller Fürsprache für den Knaus auf Crafter: Die Messlatte lag bisher nicht sonderlich hoch.
Die meisten Wohnmobile sind im Neuzustand furchtbare Schaukelkisten. Von Spurtreue und Fahrsicherheit kaum eine Spur. Gutes noch besser machen? Wir starten den Versuch. Wie weit könnte der Crafter in puncto Fahrsicherheit noch zulegen? Da uns parallel der lange Hecküberhang und der schlechte Böschungswinkel des Van Ti etwas Sorgen machen, soll er auch eine kleine Höherlegung erhalten. Eine schwierige Entscheidung. Denn mit der Höhe steigt auch wiederum die Wankneigung. „Keine Sorge“, beruhigt uns Christian Marquart, Chef von Marquart-Dämpfern in Löningen. „Das bekommen wir mit entsprechenden Dämpfern bestens unter Kontrolle. Tatsächlich ist es so, würden wir nur die reinen Fahrleistungen fokussieren, wäre die Höherlegung eher kontraproduktiv“, erklärt der Fahrwerksexperte. „Doch im Campingalltag gilt es mehrere Situationen zu optimieren – und bei dem Allrad-Crafter ist etwas Bodenfreiheit und ein verbesserter Böschungswinkel am Heck ein nachvollziehbarer Kundenwunsch.“
Fahrwerksoptimierung im großen Stil? Eigentlich nicht. Alles schön der Reihe nach.
Ab auf die Grube, ran ans Werkzeug: Höherlegung und Tausch der Dämpfer übernimmt Marquart-Partner Mercedes Raters Foto: Karsten Kaufmann in Löningen. Keine große Aufgabe für das versierte Team: In wenigen Stunden wird das Blattfederpaket im Heck mit zwei Stahlplatten unterfüttert und so um 40 Millimeter angehoben, ebenso die werkseitig von Knaus montierte Luftfeder von VBAirsuspension. Ein Muss, damit diese trotz Höherlegung in ihrem optimalen Arbeitsbereich bleibt. Zwei verstärkte Marquart- Stoßdämpfer kontrollieren zukünftig alle Bewegungen im Heck.
An der Front erhalten die Crafter Federbeine ebenfalls verstärkte Stoßdämpfer sowie drei Spacer-Ringe à zwölf Millimeter. Sie heben die Nase des Knaus um 36 Millimeter – etwas weniger als das Heck, ein kleiner Kniff, um das Fahrzeug über die Längslinie etwas harmonischer wirken zu lassen. Die verstärkten Dämpfer von Marquart können Kunden grundsätzlich in fünf verschiedenen Dämpfungsstufen wählen. Im RMI-Dauertester entscheiden wir uns für „Stufe 2“ von fünf. Erhöht man die Wirkung der Zugstufendämpfung, verhindert diese zu starkes Neigen beim Befahren von Kreiseln oder Serpentinen oder reduziert das plötzliche Ausscheren des Campers bei starkem Seitenwind oder wenn dieser unerwartet von einem schnell fahrenden Fahrzeug überholt wird. Dieser „Windschlag“ hat schon etliche dahinbummelnde Reisemobilisten an den Rand eines Herzinfarktes gebracht, wenn ihr Fahrzeug urplötzlich nach rechts weggedrückt wurde.Zudem bremst eine effektive Zugstufe Nachwippen oder Aufschaukeln beim Überfahren von Wellen. Insbesondere Wellen in Kurven können hochkritische Fahrsituationen heraufbeschwören. Was die Zugstufe eines Stoßdämpfers beim Ausfedern bewirkt, optimiert eine gut abgestimmte Druckstufe beim Einfedern. Die Druckstufe hilft souverän gegen zu starkes Einknicken beim Bremsen oder Durchschlagen bei Autobahnfugen und Schlag- Oben: Federbein mit 3 x 12 mm Spacern. Unten: Blatt- und Zusatzluftfedern sind durch Metallplatten unterfüttert. Ideal: Beim Crafter erreicht der Monteur die Verschraubung der vorderen Federbeine im Motorraum völlig problemlos. Bestandsaufnahme: Vor der Umrüstung macht sich Christian Marquart ein Bild vom Serienzustand des Crafters. löchern. Die gelungene Abstimmung beider Stoßdämpfer-Parameter ist dann der perfekte Kompromiss zwischen Komfort und Spurstabilität sowie Fahrsicherheit.
Wie sinnvoll ist eine Fahrwerksoptimierung für eine Wohn- oder Expeditionsmobil? Christian Marquart, Geschäftsführer von Marquart Stoßdämpfer gibt Tipps und Anregungen im Interview mit Reisemobil International.
Und im Dauertester? Für die Umrüstung überführte das RMI-Team den Crafter 620 Kilometer von Stuttgart nach Löningen – eine ausgiebige Erprobung des Serien-Setups. Schon auf der Rückfahrt des nur leicht beladenen Crafters präsentiert das neue Fahrwerk eine beeindruckende Verwandlung. Der offensichtlichste Punkt: Das Lenkrad liegt jederzeit völlig ruhig in der Hand, sehr viel weniger Lenkkorrekturen sind nötig, selbst beim Spurwechsel in tief ausgefahrene Lkw-Spurrillen bleibt der Crafter mit stoischer Ruhe auf der eingeschlagenen Fahrspur.
Der Crafter macht den Tausch der vorderen Federbeine leicht
Ideal: Beim Crafter erreicht der Monteur die Verschraubung der vorderen Federbeine im Motorraum des Campers völlig problemlos.
Der womöglich imponierendste Effekt der Optimierung liegt am Ende wohl darin, dass man als Fahrer sofort deutlich entspannter unterwegs ist und sehr viel langsamer ermüdet. In kritischen Fahrsituationen erhält man durch das souveräne Fahrwerk mitunter das entscheidende Plus an Reaktionszeit, wie auch Christian Marquart gerne eine erfolgreiche Fahrwerksoptimierung beschreibt. Wunschlos glücklich? Jein. Nach der Testfahrt nach Süditalien würden die Tester wahrscheinlich zur „Tuning-Stufe“ höher gehen. Stufe 3 würde die Wankneigung des vollgeladenen Crafters besser einfangen. Kein Problem: Marquart unterstützt bei Nacharbeiten sehr kulant. Allerdings, das muss man wissen – die exzellente Fahrsicherheit erkauft man sich dann durch minimale Abstriche im Komfort. Das wäre dann Jammern auf höchstem Niveau.
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Warum eine Fahrwerksoptimierung im Wohnmobil sinnvoll ist
ZEICHEN FÜR DEFEKTE ODER ÜBERFORDERTE SERIEN-STOSSDÄMPFER IM Wohnmobil
▖Unpräzises Lenkverhalten (Fahrer muss ständig korrigieren)
▖Schlechte Straßenlage
▖Gefährliches Nachschwingen (Aufschaukeln) nach Spurwechsel oder  Ausweichmanöver
â––Starkes Bremsnicken (Front taucht beim Bremsen tief ab)
▖Selbst auf gutem Fahrbahnbelag sind Vibrationen im Lenkrad zu spüren
▖Hohe Seitenwindanfälligkeit
▖Längerer Bremsweg (wird meist nicht bemerkt oder den Stoßdämpfern zugerechnet)
▖Ungleichmäßig abgefahrene Reifen, höherer Verschleiß
▖ Ein Defekt wird offensichtlich, wenn Klapper- oder Klopfgeräusche aus dem Fahrwerk zu hören sind oder Öl aus dem Stoßdämpfer austritt
WARUM OPTIMIERTE STOSSDÄMPFER IM REISEMOBIL?
▖ Enorme, sofort spürbar verbesserte Fahrsicherheit – insbesondere bei schweren
Alkoven und langen Hecküberhängen
â––Deutlich entspannteres Fahren
▖Verschiedene Dämpfer-Abstimmungen für individuelle Kundenwünsche möglich
▖Größere Ölmenge – bessere und konstantere Performance
▖Verstärkte Kolbenstangen – höhere Ausfallsicherheit und Lebensdauer
▖Laufleistung der Reifen höher
▖Kürzere Bremswege
Höhenausgleich durch eine VB-Zusatzluftfeder an der Hinterachse des Campers
Manuell steuerbare Zweikreis-Zusatzluftfeder fürs Wohnmobil
Wer seinen Camper selten leer bewegt, optimiert sein Fahrzeug im Idealfall mit Spiral- oder Blattfedern, die auch bei voller Beladung einen komfortablen Restfederweg ermöglichen. Bei Leerfahrten wäre dieses Fahrwerk allerdings etwas zu hart. Wer die Optimierung der Stahlfederelemente scheut, rüstet eine Zusatzluftfeder nach. Sie erlaubt es dem Fahrer das Heck auf unterschiedliche Beladungszustände anzupassen, sprich zu nivellieren, etwas anzuheben. So werden die hoffnungslos komprimierten Federn wieder etwas entlastet und überhaupt erst verfügbarer Federweg generiert. Dabei ist aber stets zu beachten: Nicht der maximal mögliche Luftdruck ist der optimale.
Fahrwerkshöherung durch simple "Unterfütterung"
In unserem Crafter hebt die Luftfeder das Heck in Höhe des Radlaufs bei Maximaldruck um satte 5,5 Zentimeter – schon bei 2,0 bar allerdings auf das Niveau der Vorderachse, der Knaus steht optimal ausgeglichen auf der Straße. Fahrsicherheit und Fahrkomfort bleiben erhalten. Ein höherer Druck wäre möglich, aber schon bei 3,0 bar leidet der Fahrkomfort enorm, da die Federung quasi nicht mehr aktiv ist. Der Maximaldruck macht aber für Fahrten über Rampen oder auf die Fähre durchaus einmal Sinn, die Heckstoßstange erhält satte neun Zentimeter mehr Bodenfreiheit, der Böschungswinkel verbessert sich enorm. Aber auch schon im Alltagsbetrieb mit 2,0 bar hebt sich die hintere Stoßstange um sechs Zentimeter.
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Kosten der Fahrwerksoptimierung Knaus Van Ti durch Marquart-Stoßdämpfer
Wer ein solides Fahrwerks-Tuning wünscht, muss für vier verstärkte Marquart-Stoßdämpfer inklusive Einbau und aller Anbauteile rund 2.100 Euro rechnen und erhält damit ein gewaltiges Plus an Fahrsicherheit und Fahrstabiliät. Wanken und Nachwippen gehören damit der Vergangenheit an. Wer rund 900 Euro mehr ausgibt, erhält eine Zusatzschraubenfeder im Heck implantiert, die das beladene Fahrzeug optimal stabilisiert und das Heck zudem um attraktive 20 Millimeter anhebt (Preis inkl. TÜV-Abnahme). Optimierung des Knaus-Dauertesters: Gesamtkosten 4.500 Euro (inkl. TÜV-Abnahme). Hierbei wurde die Front durch drei Spacer 36 Millimeter höher gelegt, das Heck 40 Millimeter, die Zusatzluftfeder unterfüttert, vier verstärkte Marquart-Stoßdämpfer der Stufe 2 verbaut. Wer eine Zusatzluftfeder noch nicht im Fahrzeug verbaut hat, muss weitere 1.500 Euro addieren. Infos zu Montagepartnern und verstärkte Marquart-Stoßdämpfer für Wohnmobile finden Sie hier.