> Navigationssysteme für Wohnmobile

Wohin des Weges?

23.11.2022
Bild & Text: Robert Glück

Früher konnten Reisen im großen Mobil zum Krimi werden. Heute stehen spezialisierte Navigationshilfen zur Verfügung, um sicher ans Ziel zu gelangen. Wir erklären, worauf Sie achten sollten, um tatsächlich gut anzukommen.

Die Geschichte kennt jeder in der ein oder anderen Form. Die Familie der jüngeren Schwester eines Kegelbruders schaukelt gemütlich mit dem Reisemobil durch Terra Incognita – alles ist entspannt. Bis sich die Straße plötzlich nach einer scharfen Biegung vor einer viel zu niedrigen Brücke verengt und die Protagonisten der Erzählung verkehrstechnisch zum Korken im Flaschenhals werden. Von wegen Prosa, werden sich jetzt einige von Ihnen ereifern. Ähnliches ist mir auch schon passiert! Derartige Situationen möchte man nicht am eigenen Leib erleben – und wenn doch, dann wenigstens ohne Materialbruch überstehen. Damit man gar nicht erst in solch brenzlige Situationen kommt, bietet der allzeit bereite Markt mittlerweile moderne Navigationssysteme mit Camper-spezifischer Software und hilfreichen Applikationen an. Diese helfen nicht nur sicher und komfortabel, sondern auch legal an selbst abgelegene Ziele zu gelangen. Wir haben hier eine Auswahl von Navigationssysteme zusammengetragen, beleuchten ihre Vor- und Nachteile, Qualitäten und Auffälligkeiten. Schließlich soll der Weg in und die Wege im Urlaub die Reiselust und nicht den Reisefrust beflügeln.

WAS GIBT ES?

Grundsätzlich kann man Navigationshilfen in vier Kategorien trennen: Einbaugeräte mit Touchscreen, sogenannte Naviceiver, externe Navis im eigenen Gehäuse, die mit Saugnapf oder ähnlichem im Mobil befestigt werden, Navi-Apps, die auf dem Mobiltelefon laufen und – last but not least – den guten alten Straßenatlas und Reiseführer in gebundener Form. Ja, so etwas gibt es noch und hat nichts von seinem Reiz eingebüßt.

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STROMLOSE ALTERNATIVEN

Jeder Blick in den Spiegel verrät es uns. Wir sind keine „Digital Natives“, also Angehörige der Jahrgänge ab 2000. Wir haben höchstens eine Affinität zur digitalen Welt mit ihren flimmernden Bildschirmen, haben sie aber nicht mit der Muttermilch verabreicht bekommen. Und das ist gut so, denn Bücher, Reiseführer und Karten haben ihren ganz eigenen Reiz und einen riesigen Vorteil: sie funktionieren auch ohne Strom. Und zur Not kann man damit auch eine nervende Fliege erlegen, was mit Tablet & Co. besser nicht gemacht werden sollte.

Ein weiterer Vorteil von Printmedien ist die bessere Übersichtlichkeit gerade bei Karten bei der Reise- und Routenplanung. Während eine Navigationssoftware einen rational nach den eingestellten Filtern von A nach B bringt, kommt beim Studium einer Übersichtskarte oder eines Reiseführers bereits Urlaubsstimmung auf. Und man erhält die ein oder andere Inspiration zur Routenführung. Ein Beispiel: Wer auf der Strecke von Lyon nach Barcelona stumpf dem Navi folgt, nutzt die Autobahnen A7 und A9, beide vor allem im Sommer staugefährdet und erreicht das Ziel nach 639 Kilometern in achteinhalb Stunden. Wer sich von der Karte inspirieren lässt und die Cevennen westlich umfährt, muss zwar 779 Kilometer abreiten, nimmt aber noch das Viadukt von Millau mit, immerhin mit 2.460 Metern Länge die längste Schrägseilbrücke und mit einer maximalen Pfeilerhöhe von 343 Metern die größte Brücke der Welt. Wer aussteigt und den Blick auf das mächtige, den Tarn überspannende Bauwerk richtet, läuft höchste Gefahr, länger in dieser wilden, wundervollen Gegend zu bleiben. Aber war nicht schon immer der Weg das eigentliche Ziel? Weitere, inspirierende Print-Objekte finden Sie im Shop des DoldeMedien Verlags unter www.doldemedien.de.

NAVICEIVER

Als Naviceiver werden Einbaugeräte bezeichnet, die statt des Autoradios direkt im Armaturenbrett sitzen. Sie werden gerne auch als Multimedia-Player bezeichnet, da sie die Schnitt- und Bedienstelle für eine Vielzahl von Funktionen sind. Sie ersetzen das Autoradio, spielen Medien von Handys ab, dienen als Freisprecheinrichtung zum Telefonieren sowie als Navigationssystem. Diese Alleskönner werden in der Regel als „Doppel-DIN“- oder „2-DIN“-Geräte angeboten. Das DIN bezeichnet den benötigten Bauraum im Armaturenbrett – und 2-DIN bedeutet, dass der Platzbedarf, dem von zwei herkömmlichen Autoradios entspricht. Diese Geräte sind mittlerweile zum Standard geworden und ermöglichen große – in der Regel zwischen sieben und neun Zoll – Bildschirme mit Touch-Funktion zur Darstellung von Karten oder Bedienfeldern. Naviceiver können in der Regel neben den eben genannten Funktionen auch noch das Bild einer Rückfahrkamera darstellen oder im Stand DVDs abspielen. Da viele Basisfahrzeuge Multifunktions- Lenkräder besitzen, auf denen sich Anrufe annehmen oder die Lautstärken einstellen lassen, sind Naviceiver oft optisch und technisch auf spezifische Basisfahrzeuge ausgelegt. Sonst könnten sie weder optisch in das Armaturenbrett noch technisch in die Bordelektronik integriert werden. Das Naviceiverangebot ist mittlerweile für fast alle gängigen Basisfahrzeuge unserer Reisemobile üppig. Die Vorteile eines Naviceivers sind ganz klar die vollständige Integration des Geräts in die Gesamtoptik des Innenraums und die nahtlose Verknüpfung mit der Bordelektronik. Gegen Naviceiver sprechen der Preis der Endgeräte, der aufwändige Einbau, der – klare Empfehlung – dem Profi überlassen werden sollte, und teilweise die Platzierung des Geräts im Armaturenbrett. So meint der Autor, dass sich die meisten Geräte bei gängigen Fiat Ducato (7. & 8. Generation) zu weit außerhalb des Fahrersichtfelds und zu tief befinden. Bei trickreicher Routenführung in dichtem Verkehr kann der permanente Blickwechsel von der Straße auf den Bildschirm und zurück kritisch werden. Zudem müssen Karten- Updates selbst angestoßen werden.

Foto: Garmin Deutschland GmbH

EXTERNE NAVIS

Garmin und TomTom dominieren das Geschäft mit den externen Navigationsgeräten. Obwohl der Markt seit Google Maps und anderer, freier Navigations-Apps seinen Zenit überschritten hat, dominieren diese beiden Marken immer noch. Und auch die externen Navis haben sich weiterentwickelt. Konnte früher der Weg von A nach B lediglich mit den Kriterien „schnell“ oder „kurz“ beeinflusst werden, stehen heute wie bei den Naviceivern eine Vielzahl sinnvoller Filter oder Kriterien für die Routenberechnung zur Verfügung. Die Vernetzung mit dem Smartphone via Bluetooth hat ebenfalls Einzug gehalten, wodurch Funktionen wie Wetterradar, aktuelle Verkehrslage oder das Freisprechen via Navi üblich sind. Die Vorteile der externen Geräte liegen auf der Hand. Sie lassen sich in mehreren Fahrzeugen verwenden, da sie keinen Einbau benötigen, sind deutlich günstiger in der Anschaffung und dort platzierbar, wo es dem Fahrer am besten ins Blickfeld passt. Zudem benötigen sie kein Mobilfunknetz, da sie ausschließlich über das GPS navigieren. Negativ anzurechnen sind Details wie das lose herumliegende Stromkabel und – wenn an der Windschutzscheibe angebracht – die Saugnapfhalterung, die das allabendliche Verdunkeln der Frontscheibenrollo behindert und deswegen immer abgenommen werden muss. Das alleinige basieren auf dem GPS-Signal sorgt für ausbleibende Navigation in längeren Tunnels oder in Gebieten mit schlechtem GPSEmpfang. Auch hier müssen Karten- oder Software-Updates selbst durchgeführt werden, wobei die Geräte, wenn sie in einem ihnen bekannten WLAN-Netzwerk sind, auch Hinweise auf Updates geben.

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HANDY-APPS

Smartphone-Apps sind ebenfalls ein probates Mittel der Navigation. Für Pkws gibt es eine große Anzahl, die dank sogenannter Schwarmintelligenz das aktuelle Verkehrsaufkommen in der Routenplanung berücksichtigen. Leider nehmen die gängigsten Apps wie Google Maps, Waze oder ViaMichelin keine Rücksicht auf die Belange des Reisemobilisten oder sein spezielles Fahrzeug – die Spezialisten von Sycig dagegen schon. Da die Apps Daten über das Mobilfunknetz beziehen, kann es außerhalb der EU (Stichwort Schweiz) schnell teuer werden, wenn der individuelle Mobilfunkvertrag in diesen Ländern mit Roaming- Gebühren beaufschlagt wird. Die Lösung ist ein extra Arbeitsschritt während der Reisevorbereitung, das Herunterladen von sogenannten Offline-Karten aufs Handy.

Ein weiteres Problem bei der Navigation per Handy: die vielseitige Nutzung des Geräts. Es soll einen ans Ziel bringen, Musik streamen und für den ein oder anderen Anruf parat stehen. Alles schön und gut, wenn nicht zwei Sachen parallel ablaufen und ein Anruf die Navigation stört oder beim Wechsel der Musikquelle das Fahrtziel unsichtbar wird. Außerdem sollte man daran denken, dass jeder physische Kontakt mit dem Handy während der Fahrt strafwürdig ist.

WAS BRAUCHEN WIR?

Reisemobile sind spezielle Fahrzeuge und weichen in Größe und Gewicht weit vom Norm-Pkw ab. Und damit verändern sich auch die Bedürfnisse an die Navigation beziehungswiese an die Routenführung. So zeichnen sich Camper-spezifische Navi-Softwares oder -Geräte dadurch aus, dass ins Gerät die gegebenen Fahrzeugdaten eingegeben werden können, damit diese beim Routing berücksichtigt werden. Dazu zählen: Länge, Breite, Höhe, Gesamtgewicht, Achslast, Reisegeschwindigkeit, Abgasnorm sowie die Dimension und das Gewicht eines Anhängers. Die Eingabe der individuellen Reisegeschwindigkeit erhöht die Präzision der Reisezeitberechnung, und die Nennung der Abgasnorm hilft dem Gerät, entsprechend den gesetzlichen Gegebenheiten eine Umweltzone zu umfahren. Da Reisemobile des Öfteren auch in ferne Länder gefahren werden, hilft eine interne Datenbank auf dem Navigationsgerät bei der spontanen Suche von Rastoder Übernachtungsplätzen entlang der Route. Auch hier sind aktuelle Naviceiver und externe Geräte gut bestückt. Optionen wie „in der Umgebung suchen“, oder extra Buttons wie „Campingplätze“ erleichtern das Aufspüren von Restaurants, Tankstellen, Übernachtungsmöglichkeiten und mehr.

WAS SOLL ES NUN SEIN?

Ob ein Naviceiver, ein externes Gerät oder die Handy-App ans Ziel führen soll, bleibt wie immer jedem selbst freigestellt. Jedes System hat seine Vor- und Nachteile, die objektiven Argumente für oder gegen ein System sind dargelegt. Ein sehr wichtiges Kriterium beim Kauf ist allerdings das Thema Karten- und Software-Updates, denn der allerbeste Routing-Algorithmus nützt wenig, wenn das Kartenmaterial, mit dem er arbeitet, schlicht veraltet ist. Zudem sollte man eines stets im Hinterkopf behalten: Ein Navigationssystem gibt Weg- oder Routenempfehlungen aus, fahren und entscheiden – und das mit allen Sinnen – muss man hinter dem Steuer immer noch selbst.

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