Wer mit seinem Reisemobil über die A 14 oder A 9 fährt, hat am Schkeuditzer Kreuz die Wahl: Leipzig? Oder lieber doch Halle an der Saale? Die mit 237.550 Einwohnern größte Stadt Sachsen-Anhalts scheint gegenüber der sächsischen Nachbar-Metropole stets ein wenig unattraktiver. Doch der Schein trügt: Wer sich auf Halle einlässt, erlebt eine Stadt mit tollen Bauwerken, einer reichen Geschichte und einem dank der gut 20.000 Studenten jungen Publikum.
Sogar an Reisemobilisten ist gedacht. Nahe der Saale liegt, ein wenig erhöht, der Stellplatz mit Ver-/Entsorgung an der Fährstraße 1. Zugegeben, wer hier im Dunkeln ankommt, mag sich angesichts des umgebenden Viertels ein wenig gruseln. Doch wie zur Beruhigung befindet sich die Burg Giebichenstein Kunsthochschule gleich nebenan.
Tipp: Wer sich auf dem Busparkplatz nicht so recht wohlfühlt, der weicht einfach auf den Stellplatz an der Marina im zwölf Kilometer entfernten Brachwitz aus. Das ist über eine Brücke und Landstraßen zu erreichen, aber auch per Fähre, die selbst Reisemobile für kleines Geld übers Wasser bringt. Zu empfehlen ist der Platz an der Fährstraße 1, um tagsüber das Mobil zu parken: In direkter Nähe befinden sich Straßenbahnhaltestellen der Linien 7 und 8. Sie pendeln mitten hinein ins Zentrum.
Guter Startpunkt für einen Rundgang, um Halle kennenzulernen, ist das Marktschlösschen am Marktplatz 13. In dem roten Bau aus dem 16. Jahrhundert befindet sich die Tourist-Information.
Tipp: Im selben imposanten Bau lockt ein Laden, in dem es original Halloren-Kugeln gibt. Diese Schoko-Leckerei stammt – der Name verrät es – aus Halle und schmeckt dank des städtischen Flairs besonders lecker.
Auf den Spuren Martin Luthers
Mit der Süße im Mund lässt sich von hier aus der Marktplatz in seiner ganzen Größe überblicken. Und der hat es in sich: Außer dem Händel-Denkmal zeigt sich die Silhouette von fünf Türmen. Einer ist der 84 Meter hohe Rote Turm. Er gehört zur Marktkirche Unser Lieben Frauen, die vier Türme zählt.
Doch nicht nur das Äußere macht dieses Gotteshaus aus. Hier ist auch die Totenmaske von Martin Luther zu sehen, der in der Kirche nach seinem Tod eine Nacht lang aufgebahrt war. Der Reformator hatte dreimal von der Kanzel gepredigt.
Das gesamte Ensemble bildet das Wahrzeichen der Stadt. Es wirkt so mächtig, dass der Roland, der seit April 2006 an der Ostseite des Roten Turms steht, schnell übersehen wird. Dabei ist diese uralte Statue, dieses Sinnbild für die Eigenständigkeit der Stadt und Symbol für die hohe Gerichtsbarkeit, stolze vier Meter hoch.
Historisches Halle an der Saale
Tipp: Wer sich intensiver mit der Geschichte Halles auseinandersetzen möchte, sollte das Stadtmuseum in der Großen Märkerstraße 10 besuchen. Es ist untergebracht in dem gelb leuchtenden Christian-Wolff-Haus in einer der ältesten Straßen der Stadt.
An einen dunklen Punkt in der Geschichte der Stadt erinnert die Synagoge in der Humboldtstraße. Hier hat es am 9. Oktober 2019 einen Anschlag gegeben, bei dem zwei Menschen starben. Ein Mahnmal im Vorhof des Gotteshauses erinnert seit dem 9. Oktober 2020 an die Tat.
Eine weitere Möglichkeit, tiefer in die Historie Halles einzutauchen, ist der Besuch des Alten Marktes, knapp 400 Meter von den fünf Türmen entfernt. Im Mittelalter bildete dieser Platz das Zentrum Halles. Noch heute säumen ihn Renaissancebauten und Fachwerkhäuser. Vor allem aber steht auf diesem wohl ältesten Platz der Stadt der Eselsbrunnen. Ihn schmückt ein Sagenrelief: „Vom Müllerburschen mit dem Esel, der auf Rosen ging.“
Tipp: Gleich nebenan, im Haus Alter Markt 12, lockt das Beatles-Museum. Auf drei Stockwerken präsentiert es die Geschichte der Fab Four: John, Paul, George und Ringo im Wandel ihrer Zeit als Band, aber auch in ihrer Solokarriere.
Ein weiteres Zentrum für die Entwicklung der Stadt war der Hallmarkt. Über Jahrhunderte wurde hier aus vier Brunnen Salz gewonnen – es gab der Halle an der Saale ihren Namen wie Wohlstand. Heute bildet der 1999 errichtete Göbelbrunnen, der die Geschichte der Stadt darstellt, den Mittelpunkt des Hallmarktes.
Kunstgenuss
Gerade mal 350 Meter weiter steht der Dom. Die um 1330 fertiggestellte Dominikaner- Klosterkirche hat Kardinal Albrecht 1523 mit einer neuen Ausstattung zu einer Stiftskirche erhoben. Der Dom ist heute das älteste Kirchengebäude in Halle. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts hält die evangelisch-reformierte Gemeinde hier ihre Gottesdienste.
Doch auch die Kunst kommt nicht zu kurz in Halle. Tipp: Die Moritzburg besticht nicht nur durch ihre trutzige Architektur. Wichtiger ist das Innere, wo außer wechselnden Ausstellungen Kunst aus Deutschland zu sehen ist. Der Wissenschaft widmet sich seit ihrer Gründung 1652 die Leopoldina, eine der ältesten Wissenschaftsakademien der Welt. Seit 2008 vertritt sie als Nationale Akademie Deutschlands die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien.
Das Händel-Haus widmet sich dem großen Komponisten Georg-Friedrich Händel, der hier am 5. März 1685 geboren wurde. Es zeigt sein Werk und sein Leben – auch das als Europäer. Schließlich hat er lange in London gelebt. Dort ist er auch gestorben.
Nach dem Stadtbummel empfiehlt es sich, auf dem Weg zum Reisemobil noch einen Zwischenstopp einzulegen – für den besser ein paar Stunden eingeplant werden sollten: Das Landesmuseum für Vorgeschichte birgt eine der bedeutendsten archäologischen Sammlungen Europas. Vor allem aber ist es bekannt für die Himmelsscheibe von Nebra, die weltweit älteste konkrete Himmelsdarstellung.
Es gibt viel zu sehen in Halle und viel zu erzählen im Reisemobil. Egal, wo das rollende Zuhause steht: in der Fährstraße 1 oder an der Marina in Brachwitz.
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