Wer mit seinem Reisemobil gen Fritzlar steuert, erkennt die nordhessische Kleinstadt schon von Weitem. Das Ensemble aus mittelalterlichen Gassen und Häusern dominiert der Dom St. Peter, und unübersehbar strecken vier Türme ihre Spitzen in den Himmel. Einer davon ist der Graue Turm, mit 38,5 Metern einer der höchsten noch erhaltenen städtischen Wehrtürme Deutschlands. Er weist eine hufeisenförmige Grundform auf und ist zu besichtigen. Tipp: In der ersten Etage widmet sich eine Ausstellung der mittelalterlichen Gerichtsbarkeit und der Hexenverfolgung in Fritzlar. Durch die Luken der dritten Etage eröffnet sich ein tiefer Blick auf Stadt und Umland.
Wichtiger noch für Reisemobilisten: Zu Füßen dieses Hauptbauwerks der Stadtbefestigung finden sie einen stadtnahen Stellplatz. Gerade mal 350 Meter sind es von hier zum Marktplatz. Mit 1,3 Kilometern liegt der zweite Übernachtungsplatz Ederaue etwas weiter entfernt vom städtischen Geschehen. Vorteil: Gleich nebenan lockt hier das Freibad. Am Grauen Turm empfiehlt es sich, einen Spaziergang an der Innenseite der 2,5 Kilometer langen, fast vollständig erhaltenen Stadtmauer zu starten. Dieser sogenannte Rondengang verband einst die Türme miteinander.
Fritzlar
Die Beschilderung an den historischen Gebäuden entlang der Strecke informiert über die Geschichte Fritzlars. Die findet ihren Ursprung im Jahr 723, als der Kirchenmann Bonifatius eine den Germanen heilige Donareiche laut Legende eigenhändig fällte. Der Gott des Donners schwieg zu diesem Anschlag, und so diente das Holz dazu, eine Kirche zu errichten. An eben jener Stelle steht heute der Dom St. Peter. Gleichzeitig gründete Bonifatius ein Benediktinerkloster, Ausgangspunkt für die gesamte Missionierung des nord- und osthessischen sowie thüringischen Raumes. Fritzlar entwickelte sich um diesen kirchlichen Ursprung herum.
In der Siedlung, gelegen an einer Kreuzung wichtiger frühmittelalterlicher Straßen, errichtete wahrscheinlich schon Karl der Große eine Pfalzanlage. Damit stieg Fritzlar auf zu einem bevorzugten Aufenthaltsort der deutschen Könige und Kaiser. Die gekrönten Häupter besuchten den Ort, es fanden Kirchenversammlungen und Synoden von überregionaler politischer wie kirchlicher Bedeutung statt. Im Jahre 919 wurde in Fritzlar sogar der Sachsenherzog Heinrich I. zum König von Franken und Sachsen erhoben – ein Meilenstein auf dem Weg zu einem eigenständigen ostfränkischen, später Deutschen Reich.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ging Fritzlar aus königlichem Besitz bis 1803 in das Eigentum der Mainzer Erzbischöfe über. Noch heute trägt das Fritzlarer Stadtwappen das rote Mainzer Rad auf silbernem Grund. Die Mainzer Erzbischöfe siedelten freie Kaufleute an. Fritzlar wurde die erste Münzprägestätte in ganz Hessen, rangierte als Handelsplatz für Tuche, Pelze und Gewürze noch vor Kassel. Während des 30-jährigen Krieges besetzten protestantische Truppen die Stadt, am Ende des Krieges brach sogar die Pest aus: Von 2.000 Einwohnern überlebten 600. Die Stadt zählte erst um 1840 wieder 2.000 Einwohner. Seit 1867 ist Fritzlar ständige Garnisonsstadt.
Herzen der Altstadt
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Stadt ohne Zerstörungen. Dies ermöglicht, noch heute die ursprünglichen Strukturen nachzuvollziehen: Sternförmig angelegte Gassen führen von der Stadtmauer direkt zum Herzen der Altstadt, dem historischen Marktplatz mit viel Fachwerk und dem Rolandsbrunnen. Hier treffen sich Menschen, bummeln durch Geschäfte und Boutiquen oder sitzen in einem Café oder Restaurant. Auf dem Marktplatz steht eines der ältesten und interessantesten spätmittelalterlichen Fachwerkhäuser Fritzlars, das zwischen 1475 und 1480 erbaute Gildehaus.
Das wohl älteste Haus der Stadt, das Spitzenhäuschen, ist ein spätgotischer Ständerbau von 1415 und völlig verwinkelt. Weil es wegen eigenwilliger Anbauten Probleme mit der Statik gab, sollte es abgerissen werden, doch das Kleinod wurde gerettet. In dem Haus hat heute die Tourist-Information ihren Sitz.
Von hier sind es nur wenige Schritte zum Rathaus. Das wurde 1109 erstmals urkundlich erwähnt und wird noch heute als Rathaus genutzt. Damit gilt es als das älteste Amtshaus in Deutschland. In der Nähe des Marktplatzes erhebt sich Dom St. Peter, eine der wichtigsten romanisch-gotischen Kirchen in Hessen. Besonders sehenswert sind die Krypta, die auf das 11. Jahrhundert zurückgeht, das Dommuseum samt Domschatz und die Dombibliothek. Als das bedeutendste Stück des Domschatzes gilt das um 1020 entstandene romanische Altar- und Vortragekreuz, das sogenannte Kaiser-Heinrich-Kreuz. Es ist überreich mit Edelsteinen, antiken Gemmen und Perlen verziert.
Auf dem Domplatz steht das Denkmal des später heiliggesprochenen Bonifatius. Ein anderes Gotteshaus, die Minoritenkirche, gilt nach dem Fritzlarer Dom als das bedeutendste Bauwerk der Stadt. Nach der Gründung eines Klosters durch die Franziskaner 1237 erfolgte im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts der Bau einer zweischiffigen gotischen Hallenkirche. Seit 1817 ist sie evangelische Stadtkirche. Sehenswert im Innenraum sind eine Kreuzigungsgruppe (um 1320), ein Marienfresko (um 1330) sowie ein barocker Nepomukaltar (1735).
Als Kleinod der Fritzlarer Kirchen gilt die ehemalige Kathedralkirche St. Brigida des Bistums Büraberg (741 bis 746). Sie zählt zu den ältesten Sakralbauten nördlich der Alpen, und ihre Grundmauern werden in die Mitte des 6. Jahrhunderts datiert. Sie steht etwas außerhalb auf dem Büraberg, knapp zwei Kilometer vom Stellplatz Ederaue entfernt. Doch zurück in die Innenstadt: Vom Dom sind es gerade mal 160 Meter zum Hochzeitshaus, einem viergeschossigen Fachwerkbau von 1580 bis 1590 und einem der größten Fachwerkgebäude Hessens. Einst feierten darin die Fritzlarer Bürger. Heute ist es ein Stadtmuseum. Tipp: Bitte nachfragen, es soll nach seiner Renovierung noch 2021 wiedereröffnen.
Wer durch Fritzlar gelaufen ist und das Museum besucht hat, der landet nach seinem Bummel durchs Mittelalter wieder im Hier und Heute. Dazu gehört, dass auf einem der zwei Stellplätze sein Reisemobil auf ihn wartet – an der Ederaue oder neben dem Grauen Turm. Wo auch immer: Sein rollendes Zuhause hat ihn an einen Ort geführt, der nicht nur aus der Ferne betrachtet fasziniert.
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