An sonnigen Tagen spiegeln sich in den hohen Fenstern die roten Backsteinwände der Marienkirche, in der Heinrich und Thomas Mann – ganz der Familientradition folgend – getauft wurden. Die aufwendig verzierte Fassade des Buddenbrookhauses, ursprünglich anno 1758, verrät viel von dem Selbstbewusstsein und Reichtum seiner bürgerlichen Bewohner – wie von den Bürgern dieser ganzen Stadt.
Steinerne Schätze, wohin das Auge blickt: fünf gotische Kirchen mit sieben Türmen, Rathaus mit Renaissance-Arkaden, der große Markt, die kleinen, versteckten Gänge, das Holstentor. Letzteres war der Deutschen Bundesbank sogar einen Stahlstich wert, der den 50-Mark-Schein zierte.
Die UNESCO hat 1987 die Altstadt der Hansestadt als Weltkulturerbe registriert. Das gesamte Ensemble füllt eine Insel – zwei Kilometer hoch, einen Kilometer breit. Die Flüsse Trave und Wakenitz sowie der Stadtgraben schmiegen sich um das Eiland, das von oben aussieht wie ein Plattfisch.
Ein prima Ziel für Reisemobilisten, zumal vor den Toren der Stadt ein Stell- und ein Campingplatz zur Übernachtung laden. Zwei Wege gibt es, Lübeck zu begegnen: vom Wasser aus mit dem Boot oder zu Fuß. Das Ziel ist dasselbe: besagtes Zentrum.
Schon nach einem Straßenzug ist klar: Ja, Lübeck war die Hauptstadt der Hanse, eine reiche Großstadt des Mittelalters in Deutschland – mit 30.000 Einwohnern die zweitgrößte nach Köln.
Das Holstentor, Lübecks Hauptstadttor, ist ihr Wahrzeichen. Es wurde um 1466 als Ersatz für ein Brückenbollwerk des 14. Jahrhunderts erbaut. Damals war es das innere Tor der mächtigen Verteidigungsanlage der Hansestadt. Die Mauern sind 3,5 Meter dick. Unter dem Tor befinden sich Moor und Torf. Schon während der Bauzeit begann das Tor, sich zu neigen und im Boden zu versinken. Die untersten Schießscharten liegen heute bis zu einem halben Meter unter dem Erdboden, die Schieflage ist von der Seite deutlich zu erkennen. Gesichert ist der Bau aber längst.
Im Holstentor befindet sich ein Museum. Es zeigt die Geschichte Lübecks, Stadtgestalt und Schifffahrt. Auch die berühmten Hansekoggen der Kriegsmaschinerie der alten Lübecker gibt es zu sehen.
Direkt neben dem Holstentor und gegenüber den Ausflugsschiffen an der oberen Trave stehen die Salzspeicher mit ihren sechs Backsteingiebeln. Früher wurden Lebensmittel – hauptsächlich Fisch – mit Salz konserviert, damit die Menschen stets genügend zu essen hatten. Damals war Salz, auch das weiße Gold genannt, enorm kostbar.
Unmittelbar hinter dem Stadttor schließt sich die Holstenstraße an. Diese Geschäftsstraße führt mit einem Dreh zur Breiten Straße direkt zum Rathaus, an dem die Lübecker seit 1230 mehrere Hundert Jahre gebaut haben und damit ein Vorbild für hansische Rathäuser schufen. Es ist wohl das schönste Erbe der Hansezeit – mit gotischer Fassade und Prunktreppe im Renaissancestil.
Die Schauwand hat zwei riesige Windlöcher, eine Art Ventil, um die Statik nicht ins Wanken zu bringen. Imposant wirken die gekachelte Eingangshalle des Rathauses und die reich geschnitzte Eingangstür zum Audienzsaal, in dem früher das Obergericht des Rats tagte.
Und weiter geht’s die Breite Straße gen Norden, bis die Fußgängerzone endet und die Glockengießerstraße anfängt. Jedem Kaufmann wurde zur Gründerzeit ein Einheitsgrundstück von 25 Fuß Breite und 100 Fuß Tiefe zugewiesen. Vorgeschriebenes Baumaterial war Backstein – nachdem die Stadt aus Holz zuvor eine Feuersbrunst verschlungen hatte. Wie phantasievoll sich Backstein auf engem Raum einsetzen ließ, dokumentieren die künstlerisch gestalteten Giebel der Patrizierhäuser, die das Stadtbild prägen. Mit steigender Raumnot brachen die Menschen in die Vorderhäuser und bebauten die Hinterhöfe mit so genannten Buden.
Die waren einst einstöckig mit nur einem Zimmer – von ihnen ist keine mehr erhalten. Doch noch stehen Gebäude, winzig
und bunt wie Puppenhäuser, älter als 400 Jahre. In den zurückliegenden Jahren sind durch aufwendige Sanierungen attraktive Häuschen entstanden – teilweise als Ferienwohnungen zu mieten.
Auch die Höfe sind eine Lübecker Spezialität: Um die Ärmsten der Armen vor Mietwucher zu schützen, gründeten angesehene Lübecker einst Stiftungen. Die berühmteste ist der Füchtingshof. Ratsherr Johann Füchting bestimmte 1636 ein Drittel seines Erbes „zum Nutzen und Besten der Armen“.
Noch heute sind 28 Wohnungen günstig an Pensionärinnen vermietet, oft Witwen Lübecker Kaufleute. Über den Langen Lohberg geht es auf die Breite Straße.
Einen Steinwurf entfernt: das Heiligen-Geist-Hospital mit seiner einzigartigen Giebelfront und den schlanken gotischen Türmchen. Es wurde von Lübecker Kaufleuten für Arme und Kranke gestiftet und gehört zu den besterhaltenen mittelalterlichen Denkmälern seiner Art in Deutschland. In der Spitalkirche gibt es spätgotische Wandmalereien aus dem 13. und 14. Jahrhundert zu begutachten.
Zurück zum Marktplatz, etwa zehn Minuten Weg. Dort befindet sich das Lübecker Wasser-Marionetten-Theater, weltweit das einzige seiner Art. Seit 1993 experimentieren und forschen die Künstler Simone Frömming und Wolf Malten mit Material und Figuren im Wasser, Musik und Licht. Becken vom Zehn- bis zum 3.000-Liter-Bottich kommen je nach Inszenierung zum Einsatz.
Schon in Sichtweite: die Marienkirche, nach Kölner Dom und Ulmer Münster die drittgrößte Kirche Deutschlands. Sie gilt als großartiges Beispiel kirchlicher Backsteingotik. Die Bürger Lübecks errichteten die Kirche in unmittelbarer Nähe ihres Rathauses. Der Bau wurde um 1250 begonnen und 1350 vollendet.
Gotische Kathedralen in Frankreich und Flandern waren Vorbilder der dreischiffigen Lübecker Basilika mit ihrem fast 40 Meter hohen Mittelschiff – das höchste Backsteingewölbe der Welt – und den beiden 125 Meter hohen Türmen.
Bei einem Bombenangriff 1942 brannte St. Marien fast völlig aus. Die Dächer loderten, Turmhelme und Gewölbe stürzten ein, die Glocken fielen in den Boden des südlichen Turms. Sie sind heute Mahnmal und dem Gedenken aller Toten fern der Heimat gewidmet. 1968 wurde hier die größte Orgel der Welt mit mechanischer Traktur geschaffen. Sie besitzt auf fünf Manualen und Pedalen 101 Register mit knapp 10.000 Pfeifen, die längsten sind elf Meter lang.
Die Sonne scheint, wenige Gehminuten von der Marienkirche entfernt fällt ein weiß getünchtes Haus auf. Mengstraße 4, das Buddenbrookhaus. Auswärtige Besucher sind oft enttäuscht, wenn sie vor dem literarisch weltberühmten Gebäude stehen und erfahren, dass es nicht das Elternhaus von Heinrich und Thomas Mann ist.
Gezeigt werden Leben und Werk von Heinrich und Thomas Mann. Gedreht wurde dort auch der 16 Millionen Euro teure Film „Die Buddenbrooks“ mit Iris Berben und Armin Müller-Stahl.
Bewegtes hat die Hansestadt zu bieten. Nicht von ungefähr schrieb Thomas Mann in seinem amerikanischen Exil: „Es kam der Tag und die Stunde, wo mir klar wurde, dass niemals der Apfel weit vom Stamme fällt, dass ich als Künstler viel ‚echter’, viel mehr ein Apfel vom Baume Lübecks war, als ich geahnt hatte.“
Aus dem Auge, aber nicht aus dem Sinn. Lübeck eben.
Süße Verführung
In Lübeck begann der weltweite Siegeszug des Marzipans. Georg Niederegger (1777 bis 1856) gründete die Manufaktur, die noch heute im Eigentum seiner Familie das Naschwerk herstellt. Direkt gegenüber dem Rathaus, in der Breiten Straße, befindet sich das Café Niederegger mit dem Marzipan Salon, in dem die Geschichte des Königs der Süßigkeiten erzählt wird. Beeindruckend: zwölf lebensgroße Marzipan-
figuren. Wem jetzt das Wasser im Mund zusammenläuft, findet ein Stockwerk unter dem Museum reichlich Stoff, aus dem die Träume sind. Was allerdings die Lübecker Konditoren der Mandelmischung zufügen, bleibt bis heute ein wohl gehütetes Geheimnis. Die Grundmasse besteht aus süßen Mandeln, Zucker und Rosenwasser.
Mit dem Mobil nach Lübeck
Die Hansestadt Lübeck ist mit 212.000 Einwohnern nach Kiel die zweitgrößte Stadt Schleswig-Holsteins. Marzipan, Thomas Mann, Kultur, Holstentor – Lübeck ist obendrein Wissenschafts-, Produktions- und Dienstleistungszentrum, das Tor zur Ostsee mit dem größten Fährhafen Europas.
Lübeck und Travemünde Marketing GmbH,
Tel.: 0451/8899700, www.luebeck.de
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Campingplatz Lübeck-Schönböcken
23556 Lübeck-Schönböcken, Tel.: 0451/893090, www.camping-luebeck.de, ganzjährig geöffnet
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Wohnmobiltreff Lübeck
An der Hülshorst 11, 23568 Lübeck, Tel.: 0451/32111,
www.sportpark-huelshorst.de -
Restaurant Schiffergesellschaft
Fürstlich speisen und vollendet genießen im Angesicht der Jahrhunderte: Schiffergesellschaft, Breite Straße 2,
Tel.: 0451/76776, www.schiffergesellschaft.com, Öffnungszeiten: täglich 10 bis 1 Uhr
Infobox
Den vollständigen Städtetipp finden Sie in der Januar-Augabe 2015 der Reisemobil International.