Fast macht der Tritt aufs Gaspedal dem Fahrer Angst – weil er bei einem Fünftonner etwas anderes erwartet. Die Beschleunigung nach der Ortsdurchfahrt von Bietigheim/Bissingen signalisiert dem Tester am Lenkrad: Der Dethleffs Dreiachser ist wie ein kräftiger Pkw motorisiert. Eine Gesamtleistung von 210 kW (286 PS) – selbst wenn das Fahrzeug mit knapp über vier Tonnen alles andere als ein Leichtgewicht ist – ist enorm.
Zwei technische Gegebenheiten sind es, die neben der beeindruckenden Motorleistung (Turbodiesel + Elektromotor) das lange Alkovenmobil besonders behände erscheinen lassen: das hohe und bereits ab dem Start zur Verfügung stehende Drehmoment des Tesla-Schnellläufermotors an der vorderen der beiden Hinterachsen und die exzellente Traktion. Immerhin sind jetzt vier der sechs Räder angetrieben: Ein Durchdrehen der Vorderräder auch bei einem Blitzstart lässt sich nur schwerlich provozieren, schließlich wird auch von hinten kräftig angeschoben.
Neben der unerwarteten Beschleunigung und der gefühlten Leichtfüßigkeit fährt sich der Fünftonner schaltfaul wie kein zweiter. Wer im dritten Gang durch die Stadt rollt, muss nur in Ausnahmefällen runter schalten. Das Drehmoment der zwei Herzen lässt ein extrem niedriges Drehzahlniveau zu. Das dadurch deutlich gesenkte Motorgeräusch steigert den Komfort erheblich. Etwas trickreich ist auf den ersten Kilometern die Rekuperation, notwendig, um die Batterien während der Fahrt zu laden. Rollt das Fahrzeug, erzeugt der Tesla-Motor keinen Strom, er läuft nur mit.
Der Zug am Hebel neben dem Lenkrad wie in einem Lkw, um den Retarder zu aktivieren, ändert dies. Deutlich spürbar verzögert das große Wohnmobil. Im Idealfall nimmt der Fahrer dazu den Gang raus, sodass die Bremswirkung nur der Elektro- und nicht der Diesel-Motor aufbringt, und damit stärker lädt. Dass der Motor beim freien Rollen nicht schon automatisch Strom erzeugt und damit bremst, ist gewollt. Schließlich soll das Mobil, einmal in Fahrt, möglichst weit ohne Antrieb rollen. Ansonsten müsste immer wieder zusätzlich Gas gegeben werden – gar nicht im Sinne des angestrebten optimal günstigen Spritverbrauchs.
Patrick Pink hat es zuvor dem Tester demonstriert. Selbst auf kürzesten Bremsstrecken nimmt er den Gang raus, reduziert mit dem Tesla-Motor das Tempo. Vom Beifahrersitz aus erzählt der Diplom- Ingenieur aus der Sparte Motortechnik des weltweit tätigen Eling-Klinger-Konzerns seine Beweggründe für die Entwicklung und den Bau des Hybrid-Reisemobils. „Vor allem ging es mir um Traktion“, sagt Patrick Pink. Über viele Jahre hat er große Reisemobile mit Heckantrieb gefahren, die aber in gewaltige Preisregionen abgedriftet sind. Mit den Tandemachsern gebe es Fahrzeuge mit tollem Platzangebot zu akzeptablen Preisen, aber eben mit Frontantrieb.
Weil Elring-Klinger zu 100 Prozent vom Verbrennermotor abhängig sei, befinden sich auch einige Unternehmensgruppen auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Und für den Diplom Ingenieur und seinen Vorgesetzten Dr.-Ing. Gerald Eifler war es eine willkommene Herausforderung, in das Wissen einzusteigen. Mit großem Erfolg, wie Testfahrt und Betrieb des Fahrzeugs mit Hybridantrieb, mittlerweile über 6.000 Kilometer, zeigen. Beschleunigung und Elastizität sind ausgezeichnet, und das Alkovenmobil hat einen Durchschnittsverbauch von 9,3 Liter Diesel auf 100 Kilometer, ohne, dass dabei der 21 kWh-Lithium-Eisen-Mangan-Akku mit Landstrom aufgeladen wird.
Ohne Elektrounterstüzung hat das große Alkovenmobil auf Al-Ko-Chassis rund 14 Liter Diesel auf 100 km/h geschluckt, mit bekannt mäßigen Fahrleistungen. Vollständig im Elektromodus betrieben, kommt das Wohnmobil 30 Kilometer weit. „Eine möglichst große, rein elektrische Reichweite war nicht das Ziel, sondern eben Traktion und der günstige Spritverbrauch“, erläutert Patrick Pink. Was ist nun notwendig, um aus dem reinen Euro-6-Dieselfahrzeug mit Al- Ko-Tandemachschassis ein Mobil mit EKennzeichen zu bauen? Elring-Klinger bietet dazu einen Hybridbausatz an, der außer dem Tesla-Elektromotor eine Batterie mit Kabelsatz, Antriebswellen, Rekuperationshebel, elektronisches Fahrpedal, Regler, ein Bussystem, eine elektrische Servo- und eine elektrische Unterdruckpumpe, ein E-Motorregler und vieles mehr enthält: Zum Preis von 19.529 Euro, plus Mehrwertsteuer. Gewicht: 370 Kilogramm.
„Selbsteinbau und Vorführung beim TÜV in Eigenregie sind möglich“, betont Dr. Gerald Eifler, wobei er Selbsteinbau auf externe Profis und nicht Hobby-Bastler bezieht. Die Elring-Klinger berechnet für den Einbau des Bausatzes und TÜV 10.075 Euro, plus Mehrwertsteuer. Das Interesse auf Stell- oder Campingplätzen an dem großen Dethleffs ist riesig, hat Patrick Pink auf seinen Reisen erlebt. Das E-Kennzeichen fällt auf.
Ursprünglich war das große Alkovenmobil noch mit dem Namenszug des E-Teile-Zulieferers versehen und damit noch markanter. Die Schriftzüge hat Patrick Pink mittlerweile entfernt. Vom Campingplatz kam er ohne lange Gespräche nicht mehr an den Strand – in Anwesenheit der Familie im Urlaub mühsam. Kommt er jetzt zu seinem Mobil zurück, ragen in schöner Regelmäßigkeit Beine von Interessierten darunter hervor, die fotografieren und dann beraten werden möchten. „Das“, so lächelt er, „ist okay.“
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