Museum der Optik – das soll interessant sein? Und ob: Im hochmodernen Zeiss-Forum in Oberkochen im Ostalbkreis eröffnet sich die Welt des Sehens. Sie reicht von einem Lesestein aus dem 13. Jahrhundert, den einst Mönche benutzten, über Brillen, Mikroskope und Ferngläser bis hin zu Mikrochips. Der Rundgang offenbart gleichzeitig die Historie der Optik, einem Teilgebiet der Physik, und die 175-jährige Geschichte des Konzerns Carl Zeiss.
Hinein also in die Welt des Durchblicks – vom Stellplatz in Königsbronn am Itzelberger See ein wahres Vergnügen. Zwar liegt der gut acht Kilometer von dem Museum entfernt, ist aber auf einer abwechslungsreichen Radtour einfach zu erreichen. Tipp: Bitte nicht versuchen, in Oberkochen einen Parkplatz fürs Reisemobil zu ergattern, das klappt sowieso nicht. Den dicht bebauten Ort dominieren mehrere große Firmen, freie Flächen sind rar. Vom Stellplatz aus geht es nach Norden durch Königsbronn zunächst zum Brenzursprung.
Neben dem Quelltrichter steht eine Hammerschmiede, heute Veranstaltungshalle. Gleich nebenan erinnert die Georg-Elser-Gedenk- und Forschungsstätte an den Hitler-Attentäter. Georg Elser war am 8. November 1939 mit einem Bombenanschlag auf Adolf Hitler gescheitert. Auf einer Gedenktafel steht ein Zitat von ihm: „Ich wollte ja durch meine Tat noch größeres Blutvergießen verhindern.“
Die Folgen dieser dunklen deutschen Zeit zeigt sich auch in dem Firmensitz der Carl Zeiss AG. Deren Stammsitz hatte sich von 1846 bis 1945 in Jena, Thüringen, befunden. Dort wurde das Werk 1946/47 fast vollständig demontiert und am 1. Juli 1948 verstaatlicht, der VEB Carl Zeiss in die DDR-Staatsindustrie integriert. Zeitgleich nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten Spezialisten und die Firmenleitung nach Heidenheim in Württemberg.
Am 4. Oktober 1946 wurde die Opton Optische Werke Oberkochen GmbH gegründet und ein neuer Produktionsstandort in der Kleinstadt auf der Ostalb aufgebaut. Das war der Vorläufer der heutigen Carl Zeiss AG. Sehr viel ausführlicher ist die Firmenhistorie im Carl-Zeiss-Museum dargestellt, das nach einer kleinen Radtour durch ein breites, grünes Tal nach weiteren sechs Kilometern mühelos erreicht ist. Schon von außen lässt das hochmoderne Zeiss-Forum, errichtet 2014, staunen – erst recht aber die Ausstellung in dem eintrittsfreien Museum der Optik.
Tipps für Reisemobilclubs: VIP-Gäste werden hier nach Voranmeldung mit persönlich zugeschnittenen Präsentationen begrüßt. Allein die Videowand „Seeing Beyond“ (darüber hinaus sehen) reflektiert über 175 Jahre Geschichte und Visionen des Unternehmens in einen Ausblick auf die Zukunft. Rund um ein elektronisches Auge im Mittelpunkt geht es um Megatrends wie Digitalisierung, Mobilität und Nachhaltigkeit. Dieser High-Tech-Einstieg in die Optik führt weiter in die Welt des Sehens und der damit verbundenen Erkenntnis.
Auf mehr als 1.000 Quadratmetern schlagen zehn Themenfelder den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart. Zu sehen sind geschliffene Linsen, eingepasst in optische Geräte: Mikroskope, mit denen für Carl Zeiss alles begann, und hochpräzise Scanner, ohne die die heutige Wissenschaft und Medizin nicht möglich wären, Okulare, Brillen und Kontaktlinsen, Ferngläser und Mikrochips für elektronische Teleskope. Dazu kommen Hingucker wie ein Handfernrohr, das Napoleon nach der Schlacht bei Waterloo abgenommen wurde, und eine Schläfenbrille aus Horn, durch die einst der österreichische Kaiser Franz-Joseph I. blickte.
Interaktiv ist eine Abstandsskala, die der Betrachter mit einem Schritt nach vorn oder hinten selbst steuert. Sie verdeutlicht den Blick auf winzige Strukturen, die Menschen mit optischen Geräten ergründet haben, bis hin zu den größten Entfernungen, welche Teleskope auch außerhalb der Erde erkunden. Dass der Blick in die Sterne auch immer ein Blick in die Vergangenheit ist, da das Licht über die immensen Distanzen Zeit braucht, erklärt ein Film im kleinsten Zeiss-Planetarium der Welt. Auf einer Kuppel von gerade mal viereinhalb Meter Durchmesser schauen Besucher ins Universum – ein Rundumblick in die Unendlichkeit.
Auch, wie nahe Menschen der Welt außerhalb der Erde schon waren, ist in Oberkochen zu sehen. Noch immer faszinieren hochauflösende Fotos, gemacht von Astronauten auf dem Mond. Anteil an deren Klarheit hatten Weltraumobjektive von Zeiss. Die Zeiss Ikon Contarex, mit der Gemini-4-Pilot Ed White den ersten amerikanischen Weltraumspaziergang fotografiert hat, findet ihren Platz in der Dauerausstellung, ebenso eine der legendären Hasselblad-Kameras der Apollo-11-Mission. Nach so viel Durchblick radelt es sich leicht zurück zum Reisemobil. Noch ein Tipp: Kurz vor Königsbronn, dort, wo der Ziegelbach neben dem Radweg entspringt, bietet die Waldschenke Ziegelhütte (Öffnungszeiten beachten, Tel.: 07328/6206) gutbürgerliche Köstlichkeiten an. Schließlich macht der Blick in die Sterne eben doch hungrig.
Infobox
Stellplatz in der Nähe des Zeiss-Museum der Optik in Oberkochen
Königsbronn-Itelberg: Stellplatz am Itzelberger See, Kapellenstraße,
Tel.: 07328/96250, www.koenigsbronn.de, 48°44’4.00″N/10°8’1.00″E.
Naturnah am See, 3 km vom Ortszentrum entfernt. 4 Stellplätze auf Schotter. Hunde erlaubt, Wasser, Strom, Entsorgung (Chem). Ganzjährig geöffnet. Übernachtung gratis inkl. Entsorgung. Strom 0,50 €/kWh, Wasser 1 €. Bordatlas Deutschland 2024 von Reisemobil International, Seite 362.