Es muss nicht immer der Amazonas sein. Manchmal reicht es auch, auf einem nicht ganz so bekannten Fluss zu paddeln, um Wildnis zu erleben. Und das direkt vor der Tür des Reisemobils auf einem Stellplatz direkt am Wasser. Bode, so heißt die schöne Unbekannte, die am Stellplatz am Schützenhaus von den Höhen des Harzes der Mündung in die Saale bei Nienburg entgegenfließt. Insgesamt 169 Kilometer braucht sie dafür, und der Abschnitt, auf dem Reisemobilisten paddeln, erstreckt sich zwischen Ditfurt und Gröningen. Eine Strecke, für welche die Kanuten aus dem Reisemobil um die fünf Stunden brauchen.
Die 37 Euro Miete für ein Zweier-Boot sind schnell bezahlt. Doch bevor es in die Wildnis Sachsen-Anhalts geht, steht eine kurze Einweisung durch Michael Reinhardt an, den Chef des Kanuverleihs Ditfurt. Seit 20 Jahren leitet er das Geschäft: „Da wir unser Büro nicht direkt an der Verleihstation betreiben, ist es notwendig, sich vorher telefonisch anzumelden“, sagt der 38-Jährige und führt an der Einsatzstelle bei den Reisemobilen die Grundbewegungen des Stechpaddels vor.
Kurz darauf schwimmt das schlanke Boot mit der Strömung. Nicht nur Grün umgibt das Kanu sofort, es ist auch die Stille, die mit der Tour auf der Bode beginnt. Leise tauchen die Paddel in das dunkle, glasklare Nass, geben Vortrieb und steuern die Fahrt. Kurz darauf schon mündet der Mühlgraben, er kommt aus dem nahen Quedlinburg, in die Bode. Am Ufer stehen riesige Linden und Pappeln, Kastanien und Grauerlen. Weit reichen die Bäume ihre Äste übers Wasser, bieten Vögeln Halt. Sogar Eisvögel blitzen gelegentlich blau im Geäst auf.
Schwäne und Enten zeigen ihrem Nachwuchs die Nahrungsquellen im Wasser, Rote Milane und Bussarde kreisen über den weiten Feldern neben dem Fluss. Der schlängelt sich durch die Flur wie durch eine andere Welt. Kein Auto ist zu hören, und Anzeichen von Zivilisation tauchen erst mit der Bahnbrücke unweit von Wedderstedt auf. Die überspannt die Bode in weiten Bögen. Seichte Stellen machen mit gekräuseltem Wasser auf sich aufmerksam. Sie gilt es zu umschiffen. Sonst bleibt sogar das flach laufende Kanu hängen und zwingt zum Ausstieg ins kühle Nass. Das ist nicht weiter schlimm, allenfalls die Schuhe sind nass. Wasser- und wetterfest sollte die Kleidung sein. Empfehlenswert sind Schwimmwesten – zumindest für Ungeübte. Wertsachen und Proviant sind in einem verschließbaren Fass verstaut.
Den dunklen Fluss kontrastieren lange Gräser, die sich dicht unter der Wasseroberfläche im Strom wiegen. Sie bilden einen dichten Teppich, auf dem die Sonne im Rhythmus der steten Bewegung tanzt. Leise gluckst der Fluss dazu. Bis es erst leise und dann immer lauter zu rauschen beginnt. Gleichzeitig gewinnt die Bode an Tiefe: Die Staustufe in Rodersdorf ist erreicht, unüberhörbar stürzt das Wasser das Wehr hinunter und trägt eine weiße Krone aus Gischt. Verboten, im Boot hinunterzurutschen. Links vor dieser Gefahrenstelle zeigt eine kleine, ausgelatschte Lücke im Gebüsch die Umhebestelle an. Also anlegen, vorsichtig aus der kippeligen Fuhre aussteigen und das Kanu das Ufer hinaufziehen.
Eine gute Gelegenheit, das Fass aufzuschrauben und zu picknicken. Immerhin sind schon knapp zwei Stunden vergangen: Zeit für belegte Brote und einen Schluck aus der Pulle. Umgesetzt ist das Boot danach schnell, es geht weiter flussabwärts. Das Herausnehmen, Umtragen und Wiedereinsetzen des Kanus hat gut geklappt, also muss es kurz vor Wegeleben gleich noch einmal praktiziert werden. Hier ist der Ausstieg rechts, nicht gleich zu erkennen an einem Hinweisschild. Und: Die Strecke über Land ist etwas länger, kein Problem.
In Wegeleben, kurz vor einer Straßenbrücke, gibt es links unter hohen Bäumen eine weitere Anlegestelle. Dort ist jüngst ein kleiner Grillplatz entstanden, geführt von Kanu-Verleiher Michael Reinhardt. Auch hier gäbe es die Möglichkeit, sich zu stärken, interessant auch für Gruppen, die sich teilen: die einen paddeln, die anderen bereiten das Essen vor. Eine gute Stunde weiter ist Deesdorf erreicht, ein von der Bode aus unsichtbarer Ort. Auch hier lockt eine Anlegestelle: Eine weite Wiese erstreckt sich zehn Meter rechts hinter der Straßenbrücke, getarnt durch Bäume. Die Fahrt dorthin führt durch dichtes Grün, in dem sich eine Gruppe Männer in roten Kajaks farbenfroh abhebt.
Mit kräftigem Schlag paddeln sie einer nach dem anderen über Stromschnellen – klein, aber immerhin. Die Boote auf der Bode streben nun in schier endlosen Kurven dem Ziel Gröningen entgegen. Der Ausstieg verbirgt sich in einem Mühlengraben, in den das Boot vor dem Wehr einfahren muss. Und in der Gartenanlage Hinterstraße ist die Flussfahrt zu Ende.
Michael Reinhardt wartet bereits mit seinem Sprinter, an dem ein Hänger hängt, aufgebaut für Kanus und Kajaks. Er weiß, wann seine Paddler ihr Ziel erreichen – oder er wartet auf deren Anruf. Die Rückfahrt zum Reisemobil dauert um die 20 Minuten. Tipp: Wer noch nicht genug hat vom Freiluftabenteuer, der läuft oder radelt zum einen Kilometer vom Stellplatz entfernten Ditfurter See und nimmt an dem Sandstrand ein Bad. Zum Abschluss des Tages gibt es ein Abendessen im Schützenhaus, einem Restaurant mit kleinem Biergarten direkt am Stellplatz. Zu erzählen gibt es genug über die Wildnis entlang der bis zuvor meist noch unbekannten Bode. Es bleibt eine klare Erkenntnis: Es muss nicht immer der Amazonas sein.
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Infobox
Stellplatz am Schützenhaus
Schützenstraße 33, 06484 Ditfurt, 8 Plätze auf der Wiese, bei Buchung über alpacacamping 17,50 Euro inkl. aller Personen und Hund. Keine Entsorgung, kein Strom, kein Wasser, kein WC. Wohnwagen erlaubt. Ganzjährig geöffnet.
Kanuverleih Ditfurt
Karl-Marx-Straße 11, 06484 Ditfurt, Michael Reinhardt, Tel.: 03946/6897997, Handy: 0151/12625854, www.kanuverleih-ditfurt.de, Miete: Kanu ab 37 Euro, Kajak ab 25 Euro
Essen und Trinken: Schützenhaus
Schützenstraße 33, 06484 Ditfurt, Tel.: 03946/811882, www.partyservice-schuetzenhaus.de