> Alsfeld in Hessen

Die Vorzeigestadt

26.02.2023
Text: Claus-Georg Petri | Bild: Tourismus Alsfeld

Alsfeld mit seinem mittelalterlichen Stadtbild soll Europa beim Denkmalschutz als Vorbild dienen. Vielleicht auch beim Reisemobil-Tourismus: Außer Fachwerk gibt es hier einen schönen Stellplatz.

Das Rathaus in Alsfeld dürfte den meisten Reisemobilisten nicht nur wegen seiner einzigartigen Architektur gefallen: Es steht frei. Damit dient das Gebäude, das von 1512 bis 1516 entstanden und seither eines der bedeutendsten Fachwerkhäuser Deutschlands ist, als einzigartiger Blickfang auf dem Marktplatz der hessischen Stadt.

Nah dran: Vom kommunalen Stellplatz in die Innenstadt sind es gerade mal 750 Meter. Herausragend ist die Walpurgiskirche mitten in der schönen Fachwerkstadt.

Bis zu diesem markanten Punkt ist es für Reisemobilisten ein Katzensprung: Gerade mal 750 Meter oder zehn Minuten sind es hierher vom östlich gelegenen städtischen Stellplatz aus. Er befindet sich jenseits des Flüsschens Schwalm direkt am Erlenstadion. Die zweite Übernachtungsmöglichkeit liegt knapp drei Kilometer nördlich außerhalb des Zentrums im Ortsteil Eudorf. Auch von hier aus ist das Rathaus gut mit dem Fahrrad zu erreichen.

Rund um dieses Wahrzeichen Alsfelds gruppiert sich eine große Zahl weiterer markanter Fachwerkgebäude. Genannt seien hier stellvertretend einige wichtige Häuser, die es lohnt zu besichtigen. Gegenüber dem Rathaus steht das Stumpf-Haus, errichtet 1609 von Bäckermeister Jost Stumpf. Von wegen kleine Brötchen backen: Der zweistöckige Fachwerkbau ist reich an Balkenschnit- zereien und Renaissance-Ornamenten. Tipp: Auffällig sind das monumentale Schriftband und der Eckpfosten. Auf dem ließ sich der Bauherr, dreimaliger Bürgermeister, in zeitgenössischer Tracht schnitzen.

Links vom Rathaus steht das Weinhaus, an dessen Ecke sich noch heute der Pranger befindet, ein schließbarer Eisenring, der Bösewichten um den Hals gelegt wurde. Wer hier feststeckte, war wehrlos dem Spott ausgesetzt, wurde womöglich sogar angespuckt. Tipp: All das scheint keine Seltenheit gewesen zu sein: Der Pranger weist deutliche Benutzungsspuren auf. Das Weinhaus hat Hans von Frankfurt 1538 mit einem Stufengiebel errichtet – als städtisches Weinlager und zum Ausschank. Der Verkauf bedeutete eine wichtige Einnahmequelle für die Stadt: Wein zu trinken war bei allen Verhand- lungen, Geschäften und Eheverträgen notwendig.

Tipp: Heute steht das Weinhaus unter Denkmalschutz und dient der Stadtverwaltung sowie dem Tourist Center als Hauptsitz. An das Weinhaus ist das älteste Fachwerkhaus der Stadt, das schöne Gebäude Markt 2, angebaut. Es handelt sich um einen Ständerbau, dessen älteste Teile von 1350 stammen. Unter dem Haus verstecken sich zwei Keller mit Tonnengewölbe. Sie reichen bis in die Zeit zurück, in der Alsfeld gegründet wurde: Erstmals urkundlich erwähnt wurde „Adelesfelt“ anno 1069.

Beherrschendes Bauwerk des Kirchplatzes ist die Walpurgiskirche mit ihrer langwierigen Baugeschichte. Unter dem Mittelschiff wurden erst 1971/72 die Fundamente einer kleinen Basilika mit drei Apsiden aus dem 9. bis 10. Jahrhundert entdeckt. Es folgten Umbauten, beeinflusst von der jeweils aktuellen Epoche. Doch die Walpurgiskirche ist nicht das einzige Gotteshaus in Alsfeld.

Atmosphäre: Ruhe herrscht im abends beleuchteten Klostergarten.

Im Winkel zwischen Mainzer Tor, Stadtmauer und Rossmarkt hat um 1280 der Bettelorden der Augustiner Eremiten ein Kloster gegründet. Zu dem gehörten außer einer Kirche auch Kreuzgang, Kapitelsaal, Dormitorium, Refektorium und Wirtschaftsgebäude. In dieser Anlage wirkte Tilemann Schnabel, Reformator von Alsfeld und Freund Martin Luthers. Luther selbst übernachtete hier auf dem Weg zum Wormser Reichstag am 12. April 1521.

Das Kloster wurde 1526/27 aufgehoben, Landgraf Philipp schenkte die Gebäude der Stadt für ein Hospital. Die meisten Gebäude verfielen. Lediglich eine Mauerwand blieb erhalten. Die einstige Klosterkirche indes, ein schlichter turmloser gestreckter Bau mit langem, für die Mönche bestimmten Chor aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, ist weitgehend erhalten. Um 1435 folgte ein Anbau, eine asymmetrische Halle mit Mittel- und Seitenschiff. Besonders eindrucksvoll ist die Außen- ansicht des Chores mit fünf Seiten des Achtecks und die Einschachtelung am Rossmarkt durch mehrere kleine Wohnhäuser.

Gepflegtes Ambiente: Der Erlenteich offenbart zu jeder Jahreszeit seine Schönheit, hier im Herbst.

Nachdem die Kirche im Dreißigjährigen Krieg stark zerstört wurde, dient sie seit ihrer Renovierung 1664 als Dreifaltigkeitskirche. Die prächtige Synagoge wurde bei den Pogromen am 9. November 1938 zerstört. Glück im Unglück: Mitglieder des noch heute existierenden Geschichts- und Museumsvereins haben die Thora-Rolle der jüdischen Kirche gerettet. Sie ist im Regional-/Stadtmuseum ausgestellt. Eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Synagoge findet sich an der Ecke Martin- Luther-Straße/Hinter der Mauer.

Apropos: Einst schützte Alsfelds mittelalterlichen Stadtkern ein ovaler, 1.220 Meter langer Mauerring mit vier Stadttoren. Die Mainzer Gasse führt zum Stand- ort des 1821 abgebrochenen Mainzer Torturms und zu der restlichen, gerade mal noch 110 Meter langen Stadtmauer. Als einziger Turm der Stadtbefestigung ist der Leonhardsturm erhalten. Dieser Rundturm mit Kegel und Zinnenkranz ist 27 Meter hoch, er war nur durch ein Türchen von der Stadtmauer aus zugänglich.

Tipp: Hinter der 6,90 Meter hoch liegenden Tür verbirgt sich ein veritables Loch, durch das Verurteilte in das Gefan- genenverlies im Erdgeschoss hinabgelassen wurden. Im Volksmund heißt der Turm auch „Storchennest“. Es ist offensichtlich: Die Altstadt ist bebaut mit Fachwerkhäusern, schlichten Bürgerbauten und städtischen Monu- mentalgebäuden, durchzogen von engen und winkligen Gassen, die in kleine und größere Plätze münden. Mit diesem Stadtbild gehört Alsfeld zu den einprägsamsten und charaktervollsten Städten Hessens.

Obendrein gestattet die Fülle von Fachwerkgebäuden einen vollständigen Überblick über die Entwicklung der Bauweise vom späten Mittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Weil der Stadtkern als lebendes Denkmal der Stadtbaukunst von Mittelalter und Renaissance gilt, hat der Europarat Alsfeld schon 1975 als europäische Modellstadt ausgezeichnet und damit auf eine Ebene mit Trier, Xanten, Rothenburg ob der Tauber und sogar Berlin gestellt.

Die modernen Wasserspiele erfreuen die Besucher in der sommerlichen Innenstadt.

Damit nicht genug: 1990 erhielt die Vorzeigestadt zusätzlich den Denkmalschutzpreis. Das mittelalterliche Flair der Stadt ist bei einem Stadtrundgang auf Schritt und Tritt spürbar. Und wer in einem der Straßencafés Alsfeld bei einer Tasse Kaffee genießt, kann sich leicht vorstellen, wie sich hier über die Jahrhunderte das bürgerliche Leben entwickelt hat. Die vielen Fachwerkbauten sprechen als stumme Zeugen nach wie vor beredt von der glanzvollen Vergangenheit, die sich in ihnen widerspiegelt.

Das Märchenhaus zeigt Szenen bekannter Geschichten und hält die Erinnerung an die Überlieferungen wach.

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Entdeckerziele in und um Deutschland

Weitere Reiseziele und Städtetipps mit Stell- und Campingplatz-Tipps bieten die Wohnmobil-Tourenbücher. Mittlerweile fünf Bände führen Reisemobilisten auf jeweils 20 Routen zu Sehnsuchtsorten in Deutschland und Top-Reisezielen im Ausland.

 

Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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