> Mit dem Wohnmobil nach Melsungen in Nordhessen

Melsungen: Besuch beim Bartenwetzer

07.06.2024
Text: Claus-Georg Petri | Bild: Melsunger Land_Frank Dietrich

Tradition und Symbole: Melsungen pflegt mittelalterliches Fachwerk sowie nordhessische Bräuche. Mit Erfolg – die waldreiche Region brachte eine einmalige Figur hervor.

Zentraler geht’s kaum: Melsungen in Nordhessen. Diesen Namen hat schon jeder gelesen, der mit seinem Reisemobil auf der Autobahn 7 gut 25 Kilometer südlich von Kassel gefahren ist. Einfach mal den Blinker setzen, rausfahren – und sich überraschen lassen. Tatsächlich ist Melsungen über die B 253 schon nach fünf Kilometern erreicht, und der Stellplatz an der Fulda lockt mit großer Nähe zu der malerischen Fachwerkstadt.

Die Bartenwetzer-Figur ist das Wahrzeichen der Stadt Melsungen. Sie erscheint zweimal täglich auf dem Turm des Rathauses.

Zu Fuß sind es gerade mal 500 Meter bis zum historischen Rathaus: Hier einen Rundgang zu beginnen, ist schon deshalb sinnvoll, weil das markante Gebäude einen Besuch unbedingt verdient hat. Es wurde 1562 bis 1568 wieder erbaut, nachdem es ein Großbrand zuvor zerstört hatte. Heute gilt es als eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser Deutschlands. Schon 1928 wurden das alte Fachwerk und der bis dahin verschüttete Ratskeller wieder freigelegt. Das Rathaus ist 29 Meter hoch, seine drei Geschosse ragen vor, ebenso die vieleckigen Türmchen an den Ecken – es beherrscht den Melsunger Marktplatz.

Der Mittelturm krönt das Gebäude. Tipp: Täglich um 12.00 und 18.00 Uhr zeigt sich hier das Melsunger Wahrzeichen – der Bartenwetzer.

Die Bartenwetzer-Brücke trägt ihren Namen von den Holzfällern, die einst hier ihre Äxte schärften.

Ganz Melsungen steht im Zeichen dieser historischen Figur, die das Erbe der Stadt ehrt. Schließlich verdienten viele Melsunger einst ihr Geld als Waldarbeiter. Bevor sie zum Holzschlagen in den Stadtwald zogen, trafen sie sich jeden Morgen auf der alten Steinbrücke und wetzten (schärften) im Sandstein der später so genannten Bartenwetzer-Brücke ihre Barten (Äxte). Tipp: Die dadurch entstandenen Schleifmulden sind noch heute deutlich zu erkennen.

Diese Brücke gilt als einer der schönsten Brücken Hessens. Die massiven Pfeiler tragen starke Wellen- und Eisbrecher. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden zwei Brückenbögen gesprengt, erst 1956 waren diese Schäden wieder vollständig beseitigt.

Ein anderes Kuriosum ist die Zwei-Pfennig-Brücke, 1890 als schnellere und bessere Verbindung zum Bahnhof errichtet. Darüber durfte nur gehen, wer in dem Brückenhäuschen seinen Zoll von zwei Pfennigen entrichtete – bis 1920 wurde daran festgehalten. Heute finden sich an dieser Brücke Tretboot-, Stand-Up- Paddle- und Wasserfahrräder-Verleih. Schon Karl der Große soll auf seinem Sachsenfeldzug bei Melsungen eine Brücke über die Fulda geschlagen haben. Im Dreißigjährigen und Siebenjährigen Krieg plünderten Truppen die Stadt.

Über die Fulda führt die Zwei-Pfennig-Brücke.

Im Laufe der Jahrhunderte wechselte Melsungen mehrfach seinen Besitzer nach heftigen Streitereien um die Stadt. Im Jahr 1427 behielt der hessische Landgraf Ludwig I. in einer Schlacht die Oberhand. Drei mittelalterliche Handelsrouten kreutzten sich in Melsungen: Auf dem Sälzerweg (West-Ost) kamen Karren mit Salz aus Westen, die Nürnberger Landstraße (Nord-Süd) diente noch bis ins 20. Jahrhundert hinein als Heer- und Handelsstraße, und die Straße „Durch die langen Hessen“ überquerte südlich von Melsungen die Fulda. Alle drei Straßennamen finden sich immer in der Stadt. Auf diesen Routen kamen Handelswaren und Wohlstand nach Melsungen. Es entstanden regelmäßige Wochen- und Jahrmärkte.

Der Wochenmarkt findet jeden Donnerstag von 9 bis 14 Uhr rund ums Rathaus statt. In der Stadt ließen sich Gewerbe nieder. Besonders das Textilgewerbe blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ein weiteres Zeugnis der Vergangenheit ist das Melsunger Landgrafenschloss, errichtet als Jagdschloss für Landgraf Philipp den Großmütigen von 1550 bis 1557. Es diente Landgraf Moritz dem Gelehrten 1627 bis 1632 als Sitz. Danach war es Garnison der landgräflichen Reiter, und im vergangenen Jahrhundert war in den historischen Mauern die Hessische Forstakademie untergebracht. Heute befinden sich darin Amtsgericht und Finanzamt.

Markante Gebäude in der Stadt: Im Eulenturm, einem Teil der Stadtbefestigung, saßen bisweilen böse Buben ein. Rund um das Schloss erstreckt sich ein öffentlich zugänglicher Park, ein beliebtes Ziel für Besucher.

Wer westlich vom Schloss einen kleinen Wirtschaftshof passiert, gelangt in den Schlosspark mit altem Baumbestand und dem Teich. Links ist ein Rest der alten Stadtmauer sichtbar, den ein Rundturm überragt, erbaut um 1400. Tipp: In den hessischen Sommerferien verwandelt sich der Schlossgarten zum Biergarten mit Kultur- und Musikprogramm. Gegenüber vom Schloss steht der ehemalige Marstall, 1577 von Landgraf Wilhelm IV von Hessen-Kassel erbaut. Im Dreißigjährigen Krieg nahm das Gebäude 50 bis 60 Pferde auf. Farbig abgesetzt trägt es das große Hessische Staatswappen von 1577.

Längst vergangene Zeit: Die Gänseliesel erinnert an die Epoche der Ackerbürgerstadt Melsungen.

Die Figurengruppe mit der Gänsemagd vor dem Gebäude erinnert an das frühere Melsungen als Ackerbürgerstadt. Schlossgarten und Innenhof sind frei zugänglich, Schloss und Marstall nicht. Anders die Stadtkirche, erbaut als Hallenkirche im gotischen Stil. Von der romanischen Vorgängerkirche steht noch ein Teil der Westwand samt Portal sowie der untere Teil des Kirchturms. Dies ist das älteste erhaltene Bauteil der Stadt Melsungen, um 1200, Turmbau um 1225. Den Innenraum schmücken Schlusssteine, etwa ein Christuskopf in byzantinischer Manier und einen Deutsch-Ordensritter. Im Chor findet sich eine Grabplatte für den 1550 verstorbenen Wilhelm von Hessen, „Freiherr zur Landsburg und Burgmann in Melsungen“.

Ein anderes Gotteshaus in Melsungen ist die Hospitalskapelle St. Georg, ein romantischer Fachwerkbau, schon 1303 erstmals urkundlich erwähnt. Auf einem großen Gartengrundstück steht das 1789 errichtete Hospital St. Georg. Der Fachwerkbau dient als soziale Wohnstätte. Erbaut um 1387 ist der Eulenturm, einziger noch in ursprünglicher Höhe erhaltener Befestigungsturm der Stadtmauer. Von seiner Spitze aus blickten Wächter weit ins Land. Von 1575 bis 1690 diente der Turm als Gefängnis und wurde deshalb Diebesturm genannt. Sämtliche sehenswerten Punkte lassen sich bequem zu Fuß oder mit dem Rad erreichen. So wie das Reisemobil, das auf einem der zwei Stellplätze oder auf dem Campingplatz steht.

Infobox

Stellplatz an der Fulda

Schlachthofstraße, Tel.: 05661/9289890, www.melsunger-land.de, 51°8‘4.46“N/9°32‘35.04“E.

Direkt am Fulda-Radweg R1, 0,5 km vom Stadtzentrum entfernt. 14 Stellplätze auf Rasengittersteinen. Strom, Wasser, Entsorgung (Chem/ Grau). Aufenthalt max. 48 h. VE im Winter eingeschränkt. Ganzjährig geöffnet. 10 € inkl. Entsorgung. Strom 0,50 €/kWh, Wasser 1 €/10 min. Weitere Informationen unter www.bordatlas.de.

Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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