> Interview mit Julia Ambrosy, Referentin Nachhaltiger Konsum, beim Verbraucherzentrale Bundesverband

„Unkonkret und nicht zu überprüfen“

10.04.2024
Text: Maren Siepmann | Bild: vzbv

Hersteller fester Shampoos, Duschgels und Spülmittel werben mit deren Nachhaltigkeit - sie sind frei von Mikroplastik, biologisch abbaubar und umweltschonend. Doch was verbirgt sich hinter diesen Versprechen? Julia Ambrosy, Referentin Nachhaltiger Konsum beim vzbv, über Greenwashing und Täuschung.

RMI: Vegan, plastikfrei, biologisch abbaubar, umweltschonend, nachhaltig, ressourcenschonend – die Versprechen der Hersteller sind zahlreich und klingen verlockend. Aber was steckt wirklich dahinter?

Julia Ambrosy: Umweltbezogene Werbeaussagen sind oft unkonkret und für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu überprüfen. In der Regel können sie überhaupt nicht nachvollziehen, was genau sich hinter diesen Werbeaussagen verbirgt.

RMI: Machen wir es konkreter: Was bedeutet beispielsweise „biologisch abbaubar“? Was muss ein Produkt erfüllen, um sich so nennen zu dürfen?

Julia Ambrosy: Biologisch abbaubare Kunststoffe können sich im Vergleich zu konventionellen Kunststoffen unter bestimmten Voraussetzungen zu CO2 und Wasser zersetzen. Allerdings bestehen nicht alle biologisch abbaubaren Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen. Einige sind auch aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl.

RMI: Also ist selbst „biologisch abbaubar“ nicht zwangsläufig auch umweltschonend. Gibt es Gesetze oder Richtlinien, die verhindern, dass Hersteller mehr versprechen, als sie tatsächlich halten?

Julia Ambrosy: Schon jetzt untersagt die EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken bestimmte „irreführende“ Werbeaussagen. Wann Werbeaussagen, wie Siegel oder produktbezogene Claims als irreführend gelten, ist dabei jedoch Auslegungssache und wird im Einzelfall überprüft. Die Überprüfung erfolgt auch immer erst im Nachhinein, also wenn entsprechende Produkte bereits auf dem Markt sind. Greenwashing lässt sich so nicht verhindern.

RMI: Wie definiert sich Greenwashing?

Julia Ambrosy: Man spricht von Greenwashing, wenn Unternehmen versuchen, ihre Produkte grüner erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Das kann viele verschiedene Formen annehmen und sich auf die gesamte Wertschöpfungskette beziehen, von der Herstellung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung sowie auf die Verpackung. Ein gutes Beispiel für Greenwashing sind Flugunternehmen, die mit „CO2-neutralen Flügen“ werben.

RMI: Aber ist das nicht schon Verbrauchertäuschung? Wo genau ist da die Trennlinie?

Julia Ambrosy: Wann Verbraucher getäuscht werden, ist Auslegungssache und muss im Einzelfall von einem Gericht entschieden werden. Oft ist Greenwashing aber auch viel subtiler, beispielsweise wenn Hersteller eine Blumenwiese auf die Verpackung drucken, um dem Produkt einen grünen Anstrich zu verpassen.

RMI: Wird der vzbv auch selbst gegen Greenwashing aktiv?

Julia Ambrosy: Der vzbv bewertet Greenwashing als äußerst problematisch, da Verbraucher verlässliche Informationen und Orientierung benötigen, um nachhaltig konsumieren zu können. Eine Konsumlandschaft, in der nahezu alle Produkte mit Umwelteigenschaften beworben werden, macht es Verbrauchern unmöglich, nachhaltige von nichtnachhaltigen Produkten zu unterscheiden. Neben unserer politischen Arbeit gehen wir deshalb auch juristisch gegen irreführende Werbung vor und mahnen Unternehmen ab, die versuchen, ihre Produkte grüner erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind.

RMI: Haben Verbraucher keine Möglichkeit, „schwarze Schafe“ zu erkennen?

Julia Ambrosy: Wie viel Nachhaltigkeit in bestimmten Produkten steckt, können Verbraucherinnen und Verbraucher in der Regel kaum selbst erkennen. Gute Orientierung bieten zwar Siegel wie der Blaue Engel, das Bio-Siegel oder das EU-Ecolabel. Die sind jedoch bisher nur auf wenigen Produkten zu finden. Daneben gibt es unzählige weitere Label – um einen Überblick zu bekommen, was genau sich hinter jedem einzelnen versteckt, müssen Verbraucher sich bislang aufwändig selbst informieren. Das muss sich ändern.

RMI: Gibt es von Seiten der EU Pläne zur schärferen Regulierung?

Julia Ambrosy: Der Rat der Europäischen Union und das EU-Parlament haben sich im Herbst 2023 auf einen Kompromiss zur Änderung der Unfair Commercial Practices Directive (UCPD) im Rahmen der Initiative „Empowering Consumers for the Green Transition“ (EmpCo) geeinigt. Damit wird die Verwendung von allgemeinen, unbelegten umweltbezogenen Werbeaussagen verboten. Allgemeine Aussagen wie „umweltverträglich“, „klimafreundlich“ oder „nachhaltig“ müssen künftig unmittelbar erläutert werden, etwa auf der Verpackung. Eine Umwelteigenschaft, die mit Nachhaltigkeitssiegel beworben wird, muss zudem künftig von unabhängiger Stelle zertifiziert werden. Offen ist jedoch, wie Nachhaltigkeitsaussagen zu belegen sind, das heißt auf Grundlage welcher Daten und anhand welcher Methoden die Zertifizierung zu erfolgen hat. EmpCo bildet hier lediglich die Grundlage.

RMI: Und wie soll es weiter gehen?

Julia Ambrosy: Die Europäische Kommission hat bereits im März 2023 einen Vorschlag für eine Green Claims Directive (GCD) vorgelegt. Diese könnte das Problem fehlender Transparenz bei umweltbezogener Werbung lösen, indem sie eine Pflicht einführt, Claims wie „umweltfreundlich“ oder „schützt unser Wasser“ vorab verifizieren zu lassen. Allerdings rechnet die belgische Ratspräsidentschaft bis zur Europawahl Anfang Juni nicht mehr mit der Annahme durch Rat und Parlament. Die GCD kann aber in der neuen Wahlperiode wieder aufgegriffen werden, allerdings frühestens im November.

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Redaktion
Maren Siepmann
Maren Siepmann ist seit August 2014 bei der Reisemobil International und für die Themen Praxis & Zubehör zuständig.
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