> Ratgeber Alufelgen

Hot oder Schrott?

31.03.2017
Text: Karsten Kaufmann | Bild: ORC, Karsten Kaufmann

Der Felgendoktor verspricht verkratzte oder verbeulte Alufelgen wieder aufzuhübschen. Wie sinnvoll oder gefährlich ist das?

Ein kleiner Rempler am Bordstein, ein dicker Stein auf der Schotterpiste – schnell hat die teure und eben noch schmucke Alufelge hässliche Kratzer oder einen Schlag an der Kante. Nicht weiter schlimm, suggerieren viele „Spezialwerkstätten“ mit weitreichendem Reparaturangebot im Internet. Hier wird geschliffen, ausgebeult, geschweißt und neu lackiert. Verlockend sind die Angebote – denn meist kostet die Reparatur deutlich weniger als eine neue Felge.

Doch was ist von solchen Reparaturen an einem sicherheitsrelevanten Bauteil am Reisemobil zu halten? Meist recht wenig. Denn selbst ein wenig Ausschleifen von Macken und die anscheinend völlig unspektakuläre Neulackierung einer Felge birgt enorme Risiken – insbesondere wenn der Lackierung eine thermische Entlackung vorangeht.

Stefan Dittmar, Teamleiter „Räder“ bei TÜV Süd Automotive bringt es auf den Punkt: „Bei den üblichen thermischen Verfahren werden die Felgen über Stunden enorm erhitzt. Das vermindert die Stabilität und die Lebensdauer sinkt um bis zu 90 Prozent. Das haben wir mit neuen Tests bewiesen.“ Im Klartext heißt dies: „Die Erhitzung geht auf Kosten der Sicherheit im Straßenverkehr. So behandelte Räder können Risse bekommen oder Speichen sogar brechen“, warnt der Experte.

Ein enormes Wagnis bei einem sicherheitsrelevanten Bauteil. Hieronymus Tupay von Alcar-Wheels, einem renommierten Hersteller von Alufelgen, beleuchtet die Problematik aus einem weiteren Blickwinkel: „Jeder Eingriff in das Felgenmaterial – Erhitzen, Schweißen, Materialzugabe, sogar Gravierungen, Ätzungen und Einschliffe – ändert die Materialeigenschaften. Dadurch erlischt das Festigkeitsgutachten, der Eigentümer verliert alle Ansprüche auf Haftung und Gewährleistung.“ Anders formuliert: Die Garantie ist futsch – und noch viel schlimmer, die ABE der Felgen verliert ihre Gültigkeit, und im schlimmsten Fall die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs ebenso.

Bei diesem Rempler kommt maximal der Reifen zu Schaden. Kracht die Felge an den Bordstein, sind Kratzer das kleinste Problem. Haarrisse können zu gefährlichen Folgeschäden führen.
Foto: Karsten Kaufmann

„Werbung von Reparaturbetrieben mit dem Hinweis auf zertifizierte Reparaturverfahren wecken zwar Vertrauen, gaukeln Zulässigkeit aber nur vor, da es keine behördlich genehmigten Prüfgrundlagen für reparierte Aluminiumfelgen gibt“, erklärt Harald Schmidtke, Geschäftsführer des Verbandes der Automobil Tuner e. V. Bleibt die Frage offen, was in puncto Felgenreparatur nun möglich und vertretbar ist.

Die ISO 14400 besagt: Reparatur im Sinne von Schweißen, Materialzugaben […] auf Grund von Brüchen, Spalten, Rissen oder deutlichen Abtragungen sind nicht zulässig, da sie zu zusätzlichen Beanspruchungen in den kritischen Bereichen führen können. Der Sonderausschuss „Räder und Reifen“ des Fachausschusses Kraftfahrzeugtechnik (FKT) kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass eine Reparatur beschädigter Leichtmetallräder grundsätzlich abzulehnen ist – also jegliche Eingriffe in Materialgefüge, Wärmebehandlungen und Rückverformungen.

Eine optische Bearbeitung der Felge sei möglich – die Risikoabschätzung aber bedenklich. Kurzum: Wer auch weiterhin mit gutem Gefühl am Steuer seines Wohnmobils sitzen will, sollte in eine neue Felge investieren.

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Redaktion
Karsten Kaufmann
Karsten Kaufmann ist seit 2007 bei der Reisemobil International und ist Experte für Praxis und Zubehör.
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