Wandern und Radeln gehören im Harz dazu, ebenso die Sagen und Hexen rund um den Brocken. Doch ist das alles? Mancherorts schon – nicht aber in Friedrichsbrunn. Hier finden Reisemobilisten einen gepflegten Stellplatz, von dem aus eine ganz besondere Suche möglich ist: Wer sich auf den entlegenen Teilort von Thale im Naturpark Harz/Sachsen-Anhalt mit seinen gut 1.000 Einwohnern einlässt, trifft auf Spuren von Dietrich Bonhoeffer. Der verbrachte schon als kleiner Junge, eines von acht Kindern, in dem Harzer Örtchen viel freie Zeit. Schließlich hatten seine Eltern 1913 hier ein Ferienhaus gekauft, das sich von ihrem Wohnort Berlin aus gut erreichen ließ. Von dem „Häuschen“, wie die Bonhoeffers ihr Refugium gern nannten, wanderte die Familie durch die tiefen Wälder rund um Friedrichsbrunn, verbrachte in den eigenen vier Wänden unbeschwerte Zeit. Später dann diente das Ferienhaus als Rückzugsort für Studien und Gespräche. Auch über den Nationalsozialismus, der alles veränderte. Erst recht das Leben von Dietrich Bonhoeffer.
Als lutherischer Theologe erkannte er die menschenverachtende Politik der Nazis. Er schloss sich jenem Widerstandskreis an, der Adolf Hitler ausschalten wollte – die Frage des Tyrannenmordes bejahte Dietrich Bonhoeffer. Der Mann der Kirche fiel auf: Am 22. August 1940 erhielt er „wegen seiner volkszersetzenden Tätigkeit“ Redeverbot „für das gesamte Reichsgebiet“, im März 1941 sogar Schreibverbot. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg richteten sich Beweise gegen Dietrich Bonhoeffer – am 8. Oktober 1944 wurde er zusammen mit Gleichgesinnten, etwa seinem Bruder Klaus, in Berlin verhaftet.
In der Gestapo- Haft dichtete er noch im Dezember „Von guten Mächten treu und still umgeben“. Was heute als Kirchenlied viel gesungen wird, ist Dietrich Bonhoeffers letzter erhaltener theologischer Text. Besonders die erste Zeile der letzten Strophe „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ findet sich häufig als Inschrift. Die Nazis indes missbrauchten einmal mehr ihre Macht: Am 7. Februar 1945 wurde der fromme Widerständler in das KZ Buchenwald verlegt, Anfang April dann ins KZ Flossenbürg. Dort wurden er und seine gleichdenkenden Freunde am 9. April 1945 hingerichtet. An diese Geschehnisse erinnert seit 2010 die erste Dauerausstellung im Bonhoeffer-Haus Friedrichsbrunn mit 24 Bildtafeln. Seit dem 31. August 2014 gibt es zusätzlich eine interaktive Ausstellung im Häuschen. Briefe, Fotos und aufgeschriebene Erinnerungen spiegeln die Lebenssituation der Familie wider. Das Konzept zu der Sammlung haben der Verein Bonhoeffer-Haus Friedrichsbrunn und die Hochschule Harz erarbeitet.
Das Haus erfüllen heute Gabi und Thomas Zehnpfund mit Leben, sie haben es 2011 gekauft. Kein Zufall: Dieter Zehnpfund, Vater von Gabi Zehnpfund, war in den 1940er-Jahren als Nachbarkind mit Familie Bonhoeffer eng befreundet. Später hat er als Chronist von Friedrichsbrunn die Erinnerung an das Geschehene wach gehalten. Darüber sprechen Besucher des Bonhoeffer-Hauses nach ihrem Rundgang auch in dem dazugehörigen Café mit seiner Terrasse und dem weitläufigen Garten.
Auch das backsteinerne Gotteshaus in Friedrichsbrunn erinnert an die Historie: Es heißt seit 1996 „Dietrich-Bonhoeffer- Kirche“, angeregt durch Pfarrerin Wanda Krüger. Seit 2010 erinnert die Plastik „Balkentragender Christus“ der Berliner Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach an das Schicksal der Familie Bonhoeffer im Widerstand gegen Hitler.
Zusätzlich tragen vier Gedenkplatten die Signaturen der Mitglieder der Gruppe, die 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurden: Klaus Bonhoeffer, Rüdiger Schleicher, Hans von Dohnanyi, Dietrich Bonhoeffer. Jedes Jahr um den 22. August herum findet in Friedrichsbrunn der Bonhoeffer-Tag statt, 2023 zum 25. Mal. Das Motto lautete: „Mündige Bürger braucht das Land – zivilisiert, engagiert, couragiert.“ Ein Appell, der über dieses Datum hinaus hallen soll – oder um es mit Dietrich Bonhoeffer zu sagen: „Ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
Infobox
Thale-Friedrichsbrunn: Stellplatz Bocksberg
Waldstraße 3a, www.harzmobil.de, 51°41’30.62″N/11°2’2.00″E.
Am Ortsrand, im Naturpark Harz/Sachsen-Anhalt, 0,5 km vom Ortszentrum Friedrichsbrunn entfernt. 35 Stellplätze auf Schotterrasen. Hunde erlaubt, Wasser, Strom, Entsorgung (Chem/Grau), WC, WLAN, Gasflaschentausch. Leinenpflicht für Hunde. Ganzjährig geöffnet. 10 € inkl. Entsorgung, WLAN. Strom 0,80 €/kWh, Wasser 1 €/100 l, WC 2 €/Pers., Kurtaxe 3 €/Pers., Kurtaxe (6-17 J.) 1,50 €/Pers., VE für Durchreisende 5 €. 1.4.-31.10. 10 €. In der NS (Nov-März) Kurtaxe 2 €/Pers, (6-17 J.) 1 €/Pers. Bordatlas Deutschland 2023 von Reisemobil International, Seite 570.