Glaubt man den Reiseführern, Prospekten und TV-Dokumentationen steht das „N“ in Norwegen für „Naturwunder“. Entsprechend hoch sind unsere Erwartungen auf den 6.000 Kilometern, die vor uns liegen. Vielleicht zu hoch? Wer nach Norwegen fährt, träumt davon, frei zu stehen. Und ja, es ist möglich, aber nicht so einfach, wie im Vorfeld gedacht.
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Die Hauptverbindungsstraßen entlang der Fjorde sind zumindest im Sommer überlaufen. Aus Platzmangel zwischen den Meeresarmen und Steilwänden gibt es selten Nebenstraßen. Parkbuchten direkt am Straßenrand sind wenig einladend und trotzdem oft schon am Nachmittag besetzt. Wer freistehen möchte, muss alternative Wege finden – zum Beispiel die Landschaftsrouten – und sich frühzeitig am Tag ein Plätzchen sichern.
Zwischenstopp an der Olympiaschanze
Der Stellplatz an der Olympiaschanze in Lillehammer ist ein Traum, auch ohne Service. Das liegt an der wunderschönen Aussicht von den terrassenförmig angelegten Parkplätzen ins Tal und zur Skisprungschanze hinauf. Unbedingt am Abend die 936 Treppenstufen des Lysgårdsbakken erklimmen und Olympialuft von 1994 schnuppern. Es wird steil und anstrengend, aber als Belohnung wartet oben ein Fernblick mit romantischem Sonnenuntergang.
Wer Zeit mitbringt, sollte die kleine UNESCO-Literaturstadt am Mjøsasee und das Freilichtmuseum Maihaugen nicht links liegen lassen, uns zieht es allerdings nach einer ruhigen Nacht direkt weiter. Nächstes Ziel: Atlantikstraße.
Atlantikstraße: Dem Wasser ganz nah
Wir nähern uns mit Siebenmeilenstiefeln der Atlantikstraße. Hauptattraktion ist das berühmte Stück in Richtung Molde, das sich seinen Weg über den Atlantik sucht. Acht Brücken schlängeln sich zwischen Inseln, Holmen und Schären. Verbunden sind sie durch mitunter herausfordernde Straßenabschnitte, die im Gestein der Küstenlandschaft fest verankert sind. Die Lage der Straße ist ein Traum. Allerdings trüben die Menschenmassen in Reisebussen und Campern, die wie wir schon morgens um acht Uhr dort unterwegs sind, das Vergnügen.
Ålesund: Jugendstil-Juwel
Nach einem verheerenden Brand 1904 verwandelte der Wiederaufbau – mit freundlicher Unterstützung des letzten deutschen Kaiser Wilhelm II. – die Stadt in das vielleicht schönste Beispiel für Jugendstilarchitektur in Europa. Den besten Panoramablick auf die Stadt und das Ensemble der pastellfarbenen Fassaden müssen wir uns erarbeiten: 418 Stufen geht es vom Stadtpark Byparken den Hausberg Aksla hinauf. Das Wohnmobil stellen wir auf dem Stellplatz Bobilparkering Hjelsetgarden direkt am Kai ab. Er punktet mit Altstadtnähe und der Lage am Meer.
Haarnadelkurven von Trollstigen
Die berühmten Haarnadelkurven Trollstigen können wir leider nicht selbst erfahren. Die spektakuläre Straße ist vorrübergehend (bis Mitte 2025) gesperrt. Aber die Anfahrt von Süden her über das Trollstigen-Plateau zur Aussichtsplattform Trollstigplatået ist möglich. Die Fahrt zieht sich etwas, ist landschaftlich aber reizvoll und belohnt am Ende mit einem Blick auf die Serpentinen und den Wasserfall Stigfossen.
Herrliche Umwege
Auch wenn die topografischen Begebenheiten den Straßenbauern nicht viele Möglichkeiten boten, lohnt es sich, nicht den direkten Weg über die Fernverkehrsstraßen zum nächsten Ziel zu wählen, sondern den Landschaftsrouten zu folgen. Hier sind deutlich weniger Menschen unterwegs und es gibt tolle Übernachtungsmöglichkeiten in der Natur. Wir nächtigen im beschaulichen Amla direkt am Fjord. Wunderschön gelegener Stellplatz am Wasser – bezahlt wird per Handy.
Historische Schmuckstücke
In Borgund erwartet uns eine der am besten erhaltenen Stabkirchen Norwegens. Vorteil im Vergleich zur berühmteren Holzkirche in Ornes: Man braucht keine Fähre und kann direkt an der Kirche mit Museum (Eintritt 130 NOK, 11 Euro) parken. Und die Zimtschnecken im Bistro sind ein Leckerbissen.
Wieder wählen wir den Umweg Richtung Aurlandsvangen über das kahle Hochgebirge (Aurlandsfjellet) zum Aussichtspunkt Stegastein, statt direkt durch den Laerdalstunnel zu fahren. Die kontrastreiche Fahrt durch Einsamkeit und fast unberührte Natur wartet am Ende mit dem atemberaubenden Blick auf den Aurlandsfjord als großes Finale.
Acht Stellplätze in Südnorwegen zwischen Hamar und Gudvangen
So war die Tour durch Süd-Norwegen
In der Hochsaison nach Norwegen zu fahren, kann anstrengend sein. Camper-Karawanen entlang schmaler Straßen, die häufiges Halten und Zurücksetzen erfordern, machen den Trip hier und da zur Geduldsprobe. Geübte Fahrer sind dabei eindeutig im Vorteil. Dazu kommen volle Stellplätze an beliebten Orten und Schlangestehen an den Aussichtspunkten. Die Sommersaison – und damit offene Pass- und Hochlandstraßen ist kurz. Wer also nicht die Möglichkeit hat, auf die Randmonate auszuweichen, sollte genug Zeit investieren und die Hauptstrecken weitestgehend meiden und stattdessen auf Landschaftsrouten ausweichen. Hier haben wir das gefunden, was wir uns erhofft haben: traumhafte Landschaft und die Ruhe, sie zu genießen.
Infobox
Die ganze Tour durch Norwegen mit Tipps und Highlights
Wer die vollständige Reise lesen und nachfahren will, findet den gesamten Stellplatz-Check zur Tour durch Südnorwegen mit weiteren Tipps und vielen Informationen in der April-Ausgabe von Reisemobil International
Weitere Stellplätze und Wohnmobil-Touren zum Nachfahren finden Sie hier und auch auf www.bordatlas.de