> Bürstner Aviano I 700

Aus gutem Hause

05.11.2015
Text: Mathias Piontek | Bild: Hardy Mutschler

Wo Bürstner draufsteht, muss nicht unbedingt Bürstner drin sein. Die neue Baureihe Aviano rollt bei der Konzernschwester LMC vom Band. Eine gute Idee?

In der Automobilbranche ist das schon längst Alltag: Wo zum Beispiel Mercedes-Benz Citan draufsteht, ist Renault Kangoo drunter. In der Reisemobilbranche gibt es das auch. Jüngstes Beispiel hierfür ist die neue Baureihe Aviano von Bürstner. Sie stammt nicht etwa aus dem Werk in Kehl, sondern die Mitarbeiter des Schwesterunternehmens LMC fertigen diese Fahrzeuge. Bürstners Aviano ist in weiten Teilen ein LMC Explorer. Das Testmobil, ein 6,99 Meter langer Bürstner Aviano I 700 mit Queensbett im Heck, Raumbad sowie Winkelküche und Halbdinette mit Seitensitz im vorderen Fahrzeugteil findet sein Sassenberger Pendant vom Grundriss her im Explorer Sport Line 605.
Als Basis kommt der Fiat Ducato mit 130 PS und 3,5-Tonnen-Chassis zum Einsatz. Im Testmobil hat Bürstner den optionalen 148-PS-Turbodiesel montiert.

Karosserie

Der gesamte Aufbau zeigt sich gut verarbeitet: Alle Rahmenfenster, Fahrer- und Aufbautür sowie die Dachhauben sind sauber eingepasst, Aluschürzen und Kunststoffradläufe sicher befestigt. Auch der Unterboden ist gewissenhaft versiegelt. Alle Kabel sind ordentlich und ohne Scheuerstellen verlegt. Einzig die Stecker für die Heckleuchten befinden sich für Dekra-Profi Thomas Klingenstein sehr nah an der hinteren unteren Kante des Aufbaus. Hier könnte Wasser eindringen, orakelt der Sachverständige. Auch Karosserie-Profi Rudi Stahl hat einen Verbesserungsvorschlag: Die Öffnungen des Kühlergrills sollte der Hersteller mit einem feinmaschigen Drahtgeflecht hinterlegen. So wäre der Kühler vor Steinschlag oder vor direkt an ihm anhaftenden Blättern geschützt.
Der Gasflaschenkasten ist vorschriftenkonform und teils aus stabilem verzinkten Blech gefertigt. Abdichtung und Entlüftung sind tadellos. Beim Be- und Entladen der Flaschen stört eine kleine Schwelle, jedoch ist die Tür breit und hoch genug, um die Gasbehälter dennoch relativ mühelos zu platzieren.

Küche und Bad

Manchmal sind es kleine Details, die sofort ins Auge fallen. Bei der Küche ist es die wirksame Abdichtung der Ränder der Arbeitsplatte. Wie gut sie ist, zeigt sich, wenn der Glasdeckel der Spüle beim Öffnen hochfedert und dabei den Wasserhahn öffnet. Daher sollte Bürstner die Armatur etwas nach rechts gedreht montieren, damit Mischhebel und Glasdeckel sich nicht in die Quere kommen. Alle Auszüge schließen per Softeinzug und bieten genügend Platz für Proviant und Kochgeschirr.
Beim Raumbad sticht im Toilettenraum das schwarze Waschbecken ins Auge – Geschmacksache. Vor der Thetford-Drehtoilette bleibt genügend Raum für die Beine. Zahlreiche offene Ablagen und ein Spiegelschrank nehmen die Waschutensilien der Reisenden auf. Kleinigkeit: Ein WC-Rollenhalter wäre schön.
Die Dusche jenseits des Durchgangs zum Bett lässt dem Camper genügend Raum.

Innenraum

Das mehrfarbige Mobiliar ähnelt dem bei LMC verwendeten Interieur. Warmes, recht dunkles Holz wechselt sich mit cremeweißen, gesickten Möbelklappen ab. So muss sich niemand an vorstehenden Kanten vorbeischlängeln. An der geringen Trägheit der Badtür zeigt sich der Leichtbau des Mobiliars. Doch sind alle Möbel sehr stabil und mit Sorgfalt montiert. Einzig der an sich sehr gelungene seitlich angeschlagene Truhendeckel der Sitzbank könnte einige Millimeter mehr Stärke vertragen. Die Lösung selbst ist aber sehr praktisch, denn um an den Inhalt der Truhe zu kommen, muss der Camper nicht wie sonst üblich den Tisch vorschieben und das Sitzpolster entfernen. Es ist mit einer Lasche auf den Deckel aufgeschoben. Die Möbel belegt der Hersteller mit Papierfurnier, die cremeweißen Klappen mit einer Klebefolie.
Den Boden im Aviano I 700 doppelt Bürstner im Fahrzeugheck und im Bereich der Sitzgruppe auf. So bleiben die Füße zumindest dort, wo man sich vornehmlich barfuß aufhält, warm. Weil der isolierte und beheizte Frischwassertank unterflur hängt, erreicht der Camper dessen Wartungsöffnung wie bei einem Fahrzeug mit Doppelboden: nach Abheben eines Bodendeckels.
Die Möbel sind größtenteils hinterlüftet – wichtig, wenn die Urlaubscrew auch im Winter verreist. Beim Cockpit gefällt die passende Erweiterung der Armaturentafel des Fiat Ducato.

Sitzen und Schlafen

Der Aviano I 700 ist für vier Personen konzipiert. Zwei schlafen im großen manuellen, mühelos zu bedienenden Hubbett über Vordersitzen und Halbdinette. Über eine Leiter ist es leicht zu erreichen; die lichte Höhe ab Matratze reicht mit 67 Zentimetern gut aus. Das Licht der LED-Leuchte genügt auch zum Lesen. Allerdings verzichtet der Hersteller auf eine automatische Abschaltung bei auffahrendem Hubbett.
Auf zwei weitere Camper wartet das Queensbett im Heck. Zu groß dürfen die Beiden allerdings nicht sein, denn die Matratze misst nur 183 mal 140 Zentimeter und läuft am Fußende zu. Hier zeigt sich die Herausforderung, diesen Grundriss in einem Sieben-Meter-Mobil unterzubringen. Weil sich das Bett bei gleichzeitigem Aufstellen des Kopfendes aber in Richtung Heck schieben lässt, gestaltet sich der Durchgang zu den Kleiderschränken beiderseits des Betts problemlos. Für größer gewachsene Camper empfiehlt sich der Aviano I 690 mit zwei Meter-Einzelbetten.
Die Halbdinette bietet fünf bis sechs Erwachsenen bequem Platz. Der Tisch ist dreh- und verschieb- sowie höhenverstellbar. Auch diese Sitztruhe steht als Stauraum zur Verfügung.

Elektrik

Götz Locher, der Profi für die Elektrik, zeigt sich mit der Konzeption und der Ausführung der elektrischen Anlage zufrieden. Dass die beiden 230-Volt-Steckdosen der Küche weder im Spritzwasserbereich der Spüle noch zu nah am Herd installiert sind, entgeht ihm ebensowenig wie die in ausreichendem Abstand zum Waschbecken montierte im WC-Raum. Weniger gefällt ihm das Kabelgewirr an der Unterseite des Herds, dicht über dem Besteckeinsatz. Hier könnte sich Besteck verheddern.

Sicherheit

Die Anbindung ans Chassis erfolgt durch Kleben und Schrauben, und auch der Gurtbock ist sicher am Rahmen des Ducatos befestigt. Sehr gut gefällt die Anordnung der hintersten orangen und der rot-weißen Positionsleuchte am Heck. Sie lassen die Maße des Fahrzeugs auch im Dunkeln sehr gut erkennen.
Für seinen Aviano I 700 ruft Bürstner ab 69.990 Euro auf. Mit Fiat-Chassis-Paket und Fiat-Design-Paket, 150 statt 130 PS und Extras wie dem Navigationssystem mit Rückfahrkamera kommt das getestete Mobil auf 81.330 Euro.

Fazit vom Technik-Profi Mathias Piontek

Etwas außer Haus erledigen zu lassen, muss nicht schlecht sein. Das zeigt sich beim Bürstner Aviano, den LMC fertigt. Viele gute Ideen der Sassenberger flossen mit ein, etwa die oben gerundeten Seitenwände oder der von LMC bekannte solide Leichtbau. Das frische Innendesign trägt Bürstners Handschrift. Der Grundriss I 700 ist eher etwas für nicht allzu groß gewachsene Camper, doch sind ja noch zwei weitere Grundrisse im Programm.

Infobox

Den vollständigen Profitest von Mathias Piontek inkl. aller technischen Daten, Übersicht aktueller Konkurrenten und Ladetipps finden Sie in Reisemobil International-Ausgabe 11/2015 zum Download in unserem Shop.

Redaktion
Mathias Piontek
Mathias Piontek ist seit Juli 2006 im Team von Reisemobil International und für die Fahrzeugtests zuständig.
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